Wien – Eine mangelnde Koordination von Bund und Ländern in der Forschungspolitik ortete der Chef des Wissenschaftsrats, Antonio Loprieno, Dienstag Abend bei einer Diskussion zum Thema "Forschungspolitik im Föderalismus: Anachronismus oder Zukunftsmodell?" in Wien. Der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Klement Tockner, wünschte sich zudem mehr Kooperation zwischen Bund und Ländern.

"Ich finde es nicht im besten Interesse Österreichs, dass die Beteiligung von Bund und Bundesländern an der Forschungsfinanzierung nicht auf koordinierte Weise erfolgt", sagte Loprieno in der Diskussionsreihe "Club Research". Als Beispiel dafür nannte er die Privatuniversitäten, die stark von den Ländern gefördert werden. Auch wenn er einen wettbewerblichen Föderalismus, wie es ihn in der Schweiz gibt, durchaus befürwortet, kann es für Loprieno "nicht im Geiste des Wettbewerbs sein, dass sich an einem kleinen Standort Privatuniversität und öffentliche Universität Konkurrenz machen, wo im Sinne einer kritischen Masse eindeutig beide von einer Zusammenarbeit profitieren würden".

Weg vom Gießkannenprinzip

"Föderalismus ist ausgezeichnet, ab einer gewissen kritischen Masse", sagte Loprieno. Wichtig ist für ihn zudem "ein Minimum an Schwerpunktsetzung bei der Forschungsförderung, sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene, und dass man sich vom Gießkannenprinzip verabschiedet".

Für Harald Gohm, Geschäftsführer der Standortagentur Tirol, ist es auf Agenturebene gelungen, eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu entwickeln, es gebe gemeinsame Ausschreibungen, man treffe sich regelmäßig. Wechselnde Verantwortung in den Landes- und Bundesregierungen führten allerdings dazu, dass "kein einheitliches Bild mehr vorhanden ist, wohin wollen wir eigentlich".

Als Beispiel nannte Gohm die hohen Investitionen in die Quantenphysik und die Krebsforschung in Tirol, die beide durchaus sichtbar seien. "Dann kommt plötzlich ein neues Thema: wir wollen jetzt Schneeforschung, das passt doch zu Tirol. Also machen wir jetzt Schneeforschung. Das lässt sich kurzfristig gut auf regionaler Ebene verkaufen, führt aber nie zu einer kritischen Masse", sagte Gohm.

Da ist noch Luft nach oben

Tockner hat bis zum Vorjahr das Leibniz-Institut für Gewässerökologie in Berlin geleitet, das – wie alle Leibniz-Institute – je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert wird. Dieses Spannungsfeld von Bundes- und Länderförderung habe er als "sehr konstruktiv" empfunden. In Österreich sei bei der Kooperation zwischen Ländern und Bund "noch viel mehr möglich", sagte Tockner, und nannte als Beispiel die Aufwendungen für Grundlagenforschung, die zu 90 Prozent vom Bund und zu zehn Prozent von den Länden kommen. Es gebe aber große Unterschiede im Engagement der Länder, Tirol oder Niederösterreich etwa seien viel aktiver als andere. (APA, 10. 5. 2017)