Ein Schuh, der für ein Liebesbekenntnis herhalten darf, muss was wert sein. Ausgerechnet auf ein quietschblaues Paar Adidas Gazelle kritzelte Sneaker-Experte Kanye West Anfang dieses Jahres eine Botschaft an Ehefrau Kim Kardashian. Das darf ohne weiteres als richtungsweisend gewertet werden. Ausgerechnet der Mann, der mit der steten Neuerfindung von Turnschuhen Kasse macht, nahm sich ein Modell vor, das vor fast fünfzig Jahren erfunden wurde und längst Staub angesetzt hatte.

Er war allerdings nicht der Erste, der dem Schuh seine Ehre erwies. Im letzten Sommer war das schlichte Modell mit den drei weißen Streifen vermehrt zu sehen. Schuld war (natürlich) eine Werbeoffensive des deutschen Unternehmens: Adidas legte das Modell Gazelle in über 50 Farbvarianten neu auf. Und kramte alte Kampagnenbilder aus den 1990er-Jahren hervor: 1993 hatte Kate Moss dem Fotografen Denzil McNeelance in einem weinroten Paar Modell gestanden.

Foto: Hersteller

Die Werbeoffensive hatte schon damals ihre Wirkung nicht verfehlt: Die Schuhe wurden szenenübergreifend von Hip-Hop bis Grunge getragen. Mitte der Neunziger fanden sogar Großmäuler wie Noel Gallagher Gefallen an den Schuhen. Er trug ein blaues Modell auf einem Cover des neuaufgelegten Albums "Morning Glory".

Einen vergleichbaren Werbecoup hatte zwanzig Jahre zuvor Mark Spitz gelandet. 1972 hielt der Schwimmer während der Olympischen Spiele in München auf Geheiß von Horst Dassler seine Gazelle-Schuhe in die Höhe.

adidas Originals

Und auch 2016 kam es (nach dem Ausgraben der Kampagne mit Kate Moss), wie es kommen musste. Plötzlich machten die Gazelles den omnipräsenten Modellen Stan Smith und Superstars Konkurrenz.

Bloggerinnen und Models wie die Dänin Veneda Budny und die Amerikanerin Karlie Kloss trugen plötzlich wieder das behäbige Streifenmodell, das zuvor neben all den futuristischen Sneakern wie aus der Zeit gefallen schien. Ob mit der Gazelle die Vorherrschaft des weißen Sneakers tatsächlich gebrochen wird, ist noch nicht absehbar. Es wäre aber an der Zeit. (Anne Feldkamp, 11.5.2017)