Goldener Löwe für das Lebenswerk: Carolee Schneemann.

Foto: Robert Newald

Acht halb nackte Performer, vier Männer und vier Frauen, räkeln sich auf dem farbverschmierten Boden; Fleisch, Würste, Fische werden dazwischengeworfen. Klingt ein wenig nach den Wiener Aktionisten? Nein, die Rede ist vom Stück Meat Joy der US-Künstlerin Carolee Schneemann, einer ganz und gar leibfreundlichen Feier der Sinnlichkeit. Uraufgeführt 1964 in Paris, ist es heute fester Bestandteil (nicht nur) des feministischen Kunstkanons.

"Meine Aktionen waren nicht destruktiv, verleugnen nicht das Vergnügen", sagte Schneemann einmal, "sie beziehen den ekstatischen Körper als Grundlage von Erkenntnis ein." Wörtlich zu nehmen ist die Idee von der Erkenntnis durch den Körper dabei auch in einer weiteren berühmten Performance mit dem Titel Interior Scroll (1975): Für diese las Schneemann von einer Schriftrolle vor, die sie sich aus der Vagina zog.

Das "Wissen des Körpers", insbesondere des weiblichen, ist ein wichtiger Bezugspunkt im Œuvre der 1939 in Pennsylvania geborenen Künstlerin – und für ebendieses Schaffen wurde sie nun von der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen für das Lebenswerk ausgezeichnet. "Im Gegensatz zur traditionellen Darstellung der Frauen als einfache nackte Objekte hat Schneemann den Körper als primitive und archaische Kraft dargestellt, die Energien vereint", so begründete Biennale-Chefin Christine Macel die Wahl. Tatsächlich ist die Auseinandersetzung mit der Darstellung der Frau in der Kunstgeschichte für Schneemann von zentraler Bedeutung.

Aufgeschlitzte Leinwände

Hatte sie zunächst in New York Malerei studiert, so reagierte sie auf die Misogynie der dortigen Kunstszene mit Gemälden, die sie mit ihrer Körperlichkeit auflud. Sie schlitzte Leinwände auf und schuf Assemblagen aus biografischen Objekten – um sich schließlich leibhaftig ins Bild einzuführen: Für die Fotoserie Eye Body (1963) inszenierte sie sich inmitten monumentaler Assemblagen, zeigte sich zugleich als Handelnde und Gegenstand der Darstellung.

Die Malerei blieb für Schneemann stets die entscheidende Bezugsgröße, auch als sie sich dem Video, der Performance und späterhin politischeren Installationen zuwandte. Immer hatte sie Fragen nach dem Verhältnis von Körper, Raum und Pinselstrich im Blick. Und so handelt die Geschichte, die Schneemanns nun ausgezeichnetes Œuvre erzählt, nicht zuletzt von der Befreiung des (Frauen-)Körpers aus dem Bilderrahmen. (Roman Gerold, 12.5.2017)