Der Chef der Demokratischen Partei (DP) in Albanien, Lulzim Basha, hat bei einer Demonstration am Samstag in der Hauptstadt Tirana angekündigt, eine "neue Republik" gründen zu wollen. Erstmals seit der ersten freien Wahl in der ehemaligen kommunistischen Diktatur im Jahr 1991 nimmt die konservativ orientierte Partei nicht am Urnengang teil.

STANDARD: Gibt es noch eine Möglichkeit, dass Ihre Demokratische Partei an der Wahl teilnimmt?

Basha: Wir wollten immer an Wahlen teilnehmen, aber nicht an solchen, deren Resultate schon vorherbestimmt worden sind – durch Verbrechen und Drogen.

STANDARD: Es wurde Ihnen angeboten, dass vier technische Minister bestimmt werden. Sie hätten die Polizeidirektoren aussuchen können und den Chef der Wahlkommission. Warum hat Ihnen das nicht gereicht?

Basha: Eine echte technische Regierung wurde uns nicht angeboten. Unsere Vorstellung ist, dass es ausschließlich technische Minister gibt, die vor allem den Einfluss von Drogengeld auf die Wahlen bekämpfen und eine Wahlreform machen. Wir wollen, dass die Wahlen elektronisch durchgeführt und elektronisch ausgezählt werden.

STANDARD: Das würde zu einer Verzögerung der Wahl führen, die am 18. Juni stattfinden soll.

Basha: Es gibt europäische Firmen, die das innerhalb von wenigen Wochen machen können. Das kann bis Ende Oktober organisiert werden.

STANDARD: Worum geht es Ihnen eigentlich?

Basha: Die Verbindung zwischen Kriminalität und Politik ist in Albanien eine besondere. Im Parlament, in den Bürgermeistersesseln, in der Leitung von öffentlichen Institutionen sitzen Leute, die überhaupt nie in der Politik waren. Was sie vereint, ist, dass sie alle wegen Drogenhandels, Frauenhandels, Prostitution, Waffenhandels und Morden in europäischen Gefängnissen gesessen sind. 95 Prozent jener Leute mit kriminellem Hintergrund, die im Parlament sitzen, und 70 Prozent von denen, die in den Bürgermeisterämtern sitzen, sind Katholiken aus dem Norden von Albanien.

STANDARD: Was hat das mit Politik zu tun?

Basha: Bei den Katholiken im Norden war immer unsere Hochburg. Also hat Herr Rama (Edi Rama, Premierminister und Vorsitzender der Sozialisten, Anm.) den Abschaum des Abschaums im Norden rekrutiert, um in unsere Hochburg einzubrechen. Die wurden mächtig und haben Polizeidirektoren und Steuerbeamte ernannt. 2016 wurde das gesamte Land zu einer Cannabisplantage gemacht.

STANDARD: Welche Bedingungen stellen Sie nun, was die technische Regierung betrifft, um an den Wahlen teilzunehmen?

Basha: Dass die Verbindung zwischen Drogen und Kriminalität und der Regierung gekappt wird. Durch die Drogen haben diese Kriminellen jetzt hunderte Millionen Euro in ihren Händen, viel mehr als die Polizei und die Armee.

STANDARD: Das ist doch ein gutes Wahlkampfthema für die Opposition. Warum wollen Sie nicht an den Wahlen teilnehmen?

Basha: Das ist nicht wahr, wir wollen teilnehmen.

STANDARD: Aber Ihre Partei wird bei der Wahl am 18. Juni nicht antreten.

Basha: Ja, weil es den Albanern wegen der Kriminalität und der Drogenbosse nicht ermöglicht wird, frei zu wählen. Lehrer, Soldaten und Polizisten müssen an Wahlveranstaltungen teilnehmen, und sie müssen private Details offenbaren.

STANDARD: Also noch einmal: Welche Bedingungen stellen Sie?

Basha: Das können wir verhandeln. Es gibt hier eine Wahlkrise, das hat auch die internationale Gemeinschaft schon gesagt.

STANDARD: Ja, die will, dass Ihre Partei an den Wahlen teilnimmt. Ich hatte den Eindruck, dass es die internationale Gemeinschaft für den Pluralismus und die Demokratie in Albanien sehr schade findet, wenn die DP nicht teilnimmt.

Basha: Es ist wichtig, ob es eine echte Wahl sein wird.

STANDARD: Also, was sind Ihre Bedingungen für die Bildung einer technischen Regierung?

Basha: Es geht darum, dass die politischen Parteien eine Übereinstimmung finden. Wir haben das bereits 1991 in Albanien gemacht.

STANDARD: Ja, aber was wollen Sie?

Basha: Eine technische Regierung beruht auf einer politischen Übereinkunft.

STANDARD: Ja, okay, aber welche Forderungen haben Sie?

Basha: Unser Angebot war, dass ein Premier, der für uns akzeptabel ist, ernannt wird.

STANDARD: Das wird nicht passieren. Rama wird vor der Wahl nicht zurücktreten. Gibt es jenseits dieser Maximalforderung noch etwas, mit dem Sie leben können?

Basha: Ja, wir werden die Leute mobilisieren, damit er die Wahrheit erkennt.

STANDARD: Spielt in der derzeitigen Situation die Einrichtung der Untersuchungskommissionen eine Rolle, die die korrupten Staatsanwälte und Richter aus der Justiz entfernen sollen?

Basha: Wenn es eine technische Regierung gibt, kehren wir in das Parlament zurück, und dann werden wir an der Errichtung der Untersuchungskommissionen teilnehmen.

STANDARD: Warum nicht zuvor?

Basha: Weil Herr Rama die Vereinbarung vom 21. Juli gebrochen hat, wonach wir die sieben Gesetzesänderungen im Konsens machen werden. Die gesetzlichen Änderungen sind nun verfassungswidrig. Wir wollten etwa einen Termin, bis zu dem die Untersuchungskommissionen in einem Fall ihre Arbeit beendet haben müssen. Aber nun wird das ohne zeitliche Begrenzung passieren. Die drei Regierungsvertreter sollen auch nicht Teil der Untersuchung sein, sonst führt ja quasi der Premier die Untersuchung durch.

STANDARD: Wenn diese Änderungen durchgeführt werden, treten Sie dann bei der Wahl an?

Basha: Was hat das damit zu tun?

STANDARD: Also hat das nichts damit zu tun?

Basha: Nein. Für die Wahlen ist das nicht von Bedeutung.

STANDARD: Wie kann man nun eine Eskalation verhindern?

Basha: Wir kämpfen um eine freie Wahl. Das ist keine politische Kalkulation mehr, das ist ein missionarischer Kampf.

STANDARD: Aber Politik ist keine Mission. Sie waren doch ein sehr pragmatischer Politiker. Ich erinnere mich, als Sie Bürgermeister von Tirana wurden.

Basha: Das war ich als Bürgermeister. Als Oppositionsführer muss ich die Freiheit in meinem Land verteidigen, die erst 27 Jahre alt ist.

STANDARD: Die EU und die USA haben kein Verständnis mehr für Ihre Position. Wie wollen Sie in Europa Unterstützung finden?

Basha: Es ist wichtig, was die sagen, aber am wichtigsten ist, was die Albaner sagen. Denn die Albaner essen nicht in Washington, Brüssel, Berlin oder Wien. Sie essen hier. (Adelheid Wölfl aus Tirana, 15.5.2017)