Einem Team um den Wiener Biochemiker Thomas Marlovits ist es erstmals gelungen, eine vereinfachte, funktionsfähige Version der Waffe gram-negativer Bakterien nachzubauen.

Illustr.: IMP-IMBA

Wien – Vor mehr als zehn Jahren gelang es dem Wiener Biochemiker Thomas Marlovits, den Infektionsapparat von Salmonellen-Bakterien, die ihre Opferzellen mit nadelartigen Fortsätzen angreifen, zu beschreiben. Nun haben der Wissenschafter und sein Team eine vereinfachte, aber funktionsfähige Version dieser Bakterienwaffe nachgebaut.

Gramnegative Bakterien, die für Krankheiten wie Pest, Typhus, Cholera oder Salmonellosen verantwortlich sind, verwenden nadelartige Strukturen, um Zellen quasi anzubohren und krankmachende Proteine in die Wirtszellen einzuschleusen. Bei diesen molekularen Nadeln handelt sich um "Typ III Sekretionssysteme" (T3SS).

Bilder einer Bakterienwaffe

Marlovits, der am Institut für molekulare Pathologie (IMP) und dem Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (beide in Wien) arbeitete, hat nicht nur die Struktur dieser ausgeklügelten Bakterien-Waffe aufgeklärt, sondern 2011 auch hochaufgelöste dreidimensionale Bilder davon anfertigen können. Die Injektionseinheiten setzen sich aus rund 200 Polypeptidketten (Eiweißstoffen) zusammen und bestehen aus einer breiteren Basis, die in der Bakterienhülle verankert ist und einem dünnen, hohlen Nadelkomplex.

Ein internationales Forscherteam um Marlovits hat sich die Frage gestellt, ob das komplex regulierte System auf ein minimalistisches reduziert werden kann, ohne seine Funktion zu stören. Sie stellten sehr vereinfachte und für Bakterien typische regulative Genabschnitte her und ersetzten bakterieneigene Erbsubstanz durch diese synthetischen Bausteine. "Im Endeffekt haben wir sozusagen die Logistik vereinfacht, um zum selben Ergebnis zu kommen", sagte der Biochemiker.

Erster Nachbau

Wie die Wissenschafter im Fachjournal "Nature Communications" schreiben, ist es das erste Mal, dass eine derart komplexe Struktur synthetisch hergestellt wurde. Laut Marlovits verhält sich das System in seiner Funktionsweise genauso wie jenes, das bei Salmonellen natürlich vorkommt.

Schon seit längerem suchen und testen die Wissenschafter verschiedene Substanzen, die sich in den Nadelkomplex einbauen und seine Funktion stören, um ein wirksames Medikament gegen Krankheitserreger zu haben, die dieses System nutzen. "Derzeit verfolgen wir aber vor allem die Frage, ob wir das System auch zum zielgerichteten Transport von therapeutischen Molekülen verwenden könnten, um etwa Krebszellen aus dem Verkehr zu ziehen", sagte Marlovits. (APA, red, 16.5.2017)