Bild nicht mehr verfügbar.

China im Anflug auf die Azoren-Insel Terceira: Peking hat Lissabon Millioneninvestitionen zugesagt, um einen Logistikstützpunkt im Atlantik zu schaffen. Die USA steuern nun dagegen.

Foto: Reuters / Kevin Lamarque

Lissabon – Zwar reduzieren die USA sukzessive seit 2012 ihre militärische Präsenz auf den Azoren und dem Lajes-Airfield auf der Insel Terceira, von einst mehr als 3000 Soldaten auf einige Hundert. Doch jene Militärbasis hat nicht nur historisch eine immense strategische Bedeutung: als Zwischen- und Tankstopp im Zweiten Weltkrieg, später für die Luftbrücke nach Westberlin oder zur Zeit des Kalten Krieges, um nach Sowjet-U-Booten zu spähen, sowie zuletzt im Golfkrieg.

Nun stehen die Azoren davor, aus logistischer Sicht im globalen See- und Luftfrachthandel eine Renaissance zu erleben. Denn immerhin verfügt das Lajes-Airfield über die längste Start- und Landebahn Europas. Das, und dass mit der schwindenden US-Präsenz dem Atlantikarchipel wesentliche Einnahmen entgehen, blieb in Peking freilich nicht unbemerkt. So streckt China eine hilfreiche Hand an Portugals Linksregierung aus. Nach dem Freihandelsabkommen Chinas mit Island rückt nun der Atlantikarchipel in den Fokus chinesischer Geopolitik, wenngleich noch weitgehend inoffiziell.

Vollends alarmiert

Die Zahl der Azoren-Besuche hochrangiger chinesischer Regierungsdelegationen stieg in den vergangenen Jahren beträchtlich. Der Zwischenstopp von Chinas Ex-Premier Wen Jiabao 2012, mit einer mehr als hundertköpfigen Delegation auf dem Weg nach Santiago de Chile, just am Lajes-Airfield, wurde von Washington nicht goutiert. Und als im Herbst des Vorjahrs Chinas Premier Li Keqiang zum zweiten Mal nach 2014 auf Terceira für zwei Tage einen "technischen Stopp" einlegte, als er Kuba ansteuerte, um Portugals Außenhandelsminister Augusto Santos Silva zu treffen, waren die "Falken" im Pentagon vollends alarmiert.

China würde Washingtons reduzierte Präsenz als Chance sehen, hieß es. Die USA dürfen dies keinesfalls verschlafen, sonst würde man ihre Kurzsichtigkeit strafen. Terceira liegt nur 3700 Kilometer von New York entfernt, 1500 von Lissabon. Die Angst des republikanischen Kongressabgeordneten Devin Nunes ist, "dem Logistikhub und Geheimdienst würden eben militärische Interessen folgen". Die erste permanente Auslandsmilitärbasis, die China in Dschibuti zum Schutz vor Piraten in Ostafrika errichtet, ist offiziell eine "logistische".

Betont vorsichtig

Diplomatisch ist man sich der heiklen Situation in Lissabon und Peking bewusst. So gibt man sich allseits bedeckt: Eine "verdeckte Agenda hätte das Treffen jedenfalls nicht gehabt", betonte Minister Santos Silva, und: "Oberste Priorität hat die militärische Kooperation mit den USA." Weder Lajes noch der Hafen im nahen Praia da Vitória – Portugal wird diesen zum Tiefwasserhafen ausbauen – waren Thema. Silva wisse nicht, ob es chinesisches Interesse an beiden Einrichtungen gebe. Die Gespräche dienten einzig der Vorbereitung des Staatsbesuchs von Premier António Costa in China.

Costa selbst betonte wenig später beim Besuch in der portugiesischen Ex-Kolonie Macau, dass man internationale Kooperationen, "auch mit China in Sachen Logistik, der Klima- und Tiefseeforschung, sowie der Vulkanologie, mittelfristig in der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen – etwa Tellur – auf dem Meeresgrund suche".

Die vorhandene Infrastruktur des Lajes-Airfield nicht für die Wissenschaft zu nutzen wäre eine Verschwendung, sagte Costa weiter: "China weiß, wir sind ein vertrauenswürdiger Partner. Das haben wir über viele Jahrhunderte der Handelsbeziehungen bewiesen."

Auslandsinvestments

Portugal bemüht sich derweil, Lajes als kommerziellen Flughafen zertifizieren zu lassen: in Anbetracht des steigenden Tourismus auf den Azoren und als Luftfrachthub. Zusammenarbeit sucht Lissabon auch für das vor seiner Gründung stehende Internationale Atlantik-Forschungszentrum – wofür Peking und Indien ihre Unterstützung zusicherten. Im Zuge der Wirtschaftskrise Portugals hat sich China stark in den Finanz-, Versicherungs- und Energiesektor des Landes eingekauft. Die Auslandsinvestments Chinas gipfelten Ende 2016 bei 6,4 Mrd. Euro – das Vierfache des Engagements Chinas in Spanien.

"China ist nun mal ein Global Player", sagt Raquel Vaz-Pinto vom portugiesischen Institut für Internationale Beziehungen. Sie begrüßt Pekings Engagement mit Blick auf die Azoren und ist überzeugt: "China hat kein Interesse, in US-Gefilde hineinzufunken." Die USA stellen nun eine Investition von neun Millionen Euro in den Raum, um das Lajes-Airfield zu modernisieren – und will die Zahl seiner dort stationierten Militärs doch nicht weiter senken. (Jan Marot, 19.5.2017)