Lieblingsmotiv Thönys: preußische Militärs unter Wilhelm II.

Foto: Karikaturmuseum / Privatsammlung

In der NS-Zeit beteiligte sich Thöny im "Simplicissimus" auch an Propaganda gegen Stalin und an der Verherrlichung des Hitler-Regimes.

Foto: Karikaturmuseum Krems / www.simplicissimus/info (Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar)

Besonders meisterhaft gelangen Thöny Pferdedarstellungen. Hier die Zeichnung "K.k. Brachialgewalt" von 1911.

Foto: Karikaturmuseum Krems / Privatsammlung

Krems – Dicke Salonlöwen und hemdsärmelige Arbeiterführer, feine Damen und intrigante Kirchenfürsten, arrogante Offiziere und listige Bauern: Für Eduard Thöny (1866-1950) waren die treibenden Kräfte der Gesellschaft um 1900 in ihrem Verhalten, den Maskeraden, Moden und psychologischen Fragilitäten alle gleich der Lächerlichkeit preisgegeben. Wenig radikal, sondern mit fein naturalistischem Strich hielt er ihnen zeichnerisch den Spiegel vor.

2016, zum 150. Geburtstag des Karikaturisten, wurde in dessen Heimat Brixen in Südtirol eine umfassende Retrospektive zusammengestellt. In verkleinerter Ausführung, kuratiert von Gustav "Ironimus" Peichl, ist die Schau nun mit 50 Originalblättern im baulich runderneuerten Karikaturmuseum Krems zu sehen.

Im Zentrum steht die gut 40-jährige Arbeit Thönys für die 1896 gegründete Münchner Satirezeitschrift Simplicissimus. Die Geschichte des zur damaligen Zeit enorm erfolgreichen Blatts ist in all ihren Brüchen, Höhen und Tiefen eng verknüpft mit Thönys Karriere als Künstler und politischer Beobachter.

Als erste Zeitschrift ihrer Art im deutschsprachigen Raum (Karl Kraus gründete seine Fackel 1899) richtete sie sich antiklerikal, tendenziell sozialdemokratisch und pazifistisch positioniert gegen den Militarismus im wilhelminischen Kaiserreich. Der junge Thöny war 1872 von Brixen nach München gezogen. Neben Paris und Wien hatte sich die Stadt zu einem pulsierenden Zentrum für Künstler und Literaten entwickelt.

An die Kunstakademie geht der Sohn eines Bildhauers mit dem Ziel, Schlachtenmaler zu werden. Bei Meistern des Fachs wie Gabriel von Hackl und Ludwig Löfftz eignet er sich den naturalistischen Perfektionismus der Genre- und Historienmalerei an. Die Gesichter des Fin de Siècle studiert Thöny auf Tennisplätzen, Pferderennbahnen und Kasernenhöfen.

Aus einer Nebentätigkeit beim Simplicissimus wird bald Profession. Über 3500 Zeichnungen fertigt Thöny für das Witzblatt an. Sein Markenzeichen: der preußische Leutnant. Als "demimondän" (aus dem Französischen "demi-monde" für Halbwelt) bezeichnete Simplicissimus-Herausgeber Albert Langen Thönys Charaktere, bei denen sich unter jeder adretten Adjustierung ein abgrundtiefes Geheimnis verbergen kann.

Seine Karikaturen zeichnete Thöny mit Deckweiß und Tusche. In einem bis dahin einzigartigen Druckverfahren wurden die Arbeiten nachträglich eingefärbt und mit einem kurzen satirischen Dialogtext zum Lacher kombiniert. Neben den Originalzeichnungen sind im Karikaturmuseum auch auf Wände gedruckte Simplicissimus-Titelblätter aus allen Zeiten zu sehen.

Offene Fragen zur NS-Zeit

Problematisch nur, dass sich Besucher bei den kommentarlos aneinandergereihten Blättern historische Hintergründe großteils selbst zusammenreimen müssen. Mit knappen Fakten wird über die politischen Brüche im Leben Thönys und in der Simplicissimus-Blattlinie informiert. Wie viel ideologische Überzeugung hier im Spiel war, wird nicht eruiert. 1914 zogen die bis dahin pazifistisch eingestellten Zeichner deutschtümelnd in den Krieg, Thöny wurde Militärmaler der k. u. k. Armee. In der Weimarer Republik agitierte man erneut gegen radikale Kräfte, aber schon 1933 ergab sich die Redaktion der NS-Gleichschaltung.

Während das jüdische Redaktionsmitglied Thomas Theodor Heine vor der Gestapo fliehen musste, machte Thöny auch unter den Nazis Karriere, verewigte etwa die Waffen-SS in Öl. Dass nach dem Krieg ein Verfahren zur Ermittlung seiner NS-Belastung eingestellt wurde, wird in der Ausstellung vermerkt. Der Frage nach Opportunismus oder ideologischer Überzeugung hätte man dennoch genauer nachgehen müssen. Eine vergebene Chance. (Stefan Weiss, 17.5.2017)