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Neben Grünfutter fressen heimische Kühe auch Getreide.

Foto: AP/Hermann J. Knippertz

Wien – Österreichs Milchkühe ernähren sich großteils von Grünfutter. Heutzutage können Gras und Heu alleine den Nährstoffbedarf der Nutztiere aber nicht decken, weshalb Kraftfutter als zusätzliche Energiequelle gefüttert wird. Eine Möglichkeit, die Ernährung von Milchkühen gehaltvoller zu gestalten und die Milchleistung zu steigern, stellt Getreide dar. Während der Stoffwechsel von Kühen häufig unter der stärkehaltigen Kost leidet, müssen Landwirte beim Einkauf von Getreide in direkten Wettbewerb mit Lebensmittelbetrieben treten.

Diese Konkurrenz mit der Nahrungsmittelindustrie muss nicht sein, ist Qendrim Zebeli, Leiter des Instituts für Tierernährung und funktionelle Pflanzenstoffe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, überzeugt. "Derzeit wird Getreide, das ein wertvolles und für den Menschen bereits nutzbares Grundnahrungsmittel darstellt, zu leichtfertig verfüttert", sagt Zebeli. Durch ein vom Wissenschaftsministerium gefördertes Sparkling-Science-Projekt soll diesem Missstand begegnet werden.

Ziel des im März 2015 gestarteten Projekts ist es, den negativen ökologischen, sozialen und ernährungsphysiologischen Folgen der Getreidefütterung durch eine innovative und effizientere Fütterungsstrategie beizukommen. Getestet werden dazu melas- sierte Trockenschnitzel, die im Gegensatz zu Getreide zwei bedeutende Vorteile aufweisen: Die Melasse ist ein zähflüssiger Sirup, der als Nebenprodukt bei der Verarbeitung von Zuckerrüben anfällt. Diese werden regional produziert und verarbeitet und sind darüber hinaus völlig irrelevant für die Lebensmittelindustrie.

Labor statt Klassenzimmer

Wesentliche Fragen zur Verträglichkeit des Futters, der Wirkung auf den Stoffwechsel und der Milchproduktion der Tiere werden nun gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern geklärt. An dem Projekt beteiligen sich die Wiener Höhere Bundeslehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie in der Rosensteingasse und das Bundesrealgymnasium Berndorf in Niederösterreich.

Berührungsängste hätten die interessierten Jugendlichen dabei nicht, freut sich Zebeli. "Sie haben ihre Labormäntel und Notizblöcke dabei, nehmen völlig selbstständig Proben und analysieren sie im Labor", schildert der Agrarwissenschafter den Forschungsablauf.

Im ersten Schritt des Projekts wurden die verdauungsphysiologischen Aspekte zuerst in vitro erforscht. Untersucht wurden die Melasse und das Polysaccharid Pektin, das ebenfalls aus Rübenschalen gewonnen werden kann.

Im Rahmen seiner Doktorarbeit prüfte Matthias Münnich vom Institut für Tierernährung und funktionelle Pflanzenstoffe der Vetmed-Uni Wien anfangs die Effekte von Melasse und Pektinen aus Trockenschnitzeln und bestimmte die optimale Zusammensetzung der Nährstoffe, wenn gleichzeitig stärkereiches Kraftfutter auf ein Minimum reduziert wird. Die Befürchtung, ein zu hoher Zuckergehalt könne in gravierenden Stoffwechselstörungen resultieren, wird von den bisherigen Ergebnissen zerstreut.

Aufgrund der aussichtsreichen Ergebnisse wurde das Projekt, das bis Mai 2017 geplant war, bis Ende März 2018 verlängert. Der zweite Schritt führte Münnich und den Forschungsnachwuchs in die Stallungen der Veterinärmedizinischen Universität, wo die melassierten Trockenschnitzel in den Menüplan einiger Kühe aufgenommen wurden.

Durch die Entnahme von Proben können nun die Nährstoffverdaulichkeit und die Wirkung auf den Pansen und dessen Mikroorganismen untersucht werden. Außerdem gilt es über einen längeren Zeitraum zu erheben, inwiefern das neue Futter – verglichen mit herkömmlicher Fütterung – die Milchproduktion beeinflusst.

Keine Einbußen

Bislang konnten die Forscher noch keine negativen Auswirkungen oder auffällige Einbußen feststellen. Die Kooperation zwischen der Vetmed-Universität Wien und den beiden höheren Schulen läuft auch im Sommer weiter. Im Zuge eines Forschungspraktikums können Schülerinnen und Schüler von Juni bis August im Labor und im Stall mitarbeiten.

Durch die praktischen Erlebnisse im Projekt erkennen junge Menschen die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, natürlichen Ressourcen, artgerechter Tierhaltung und ihrer eignen Gesundheit, so Zelebi. Der Forschergeist soll im Labor geweckt und naturwissenschaftliche Forschung interessant und greifbar werden. Die Wissenschaft profitiere von den jungen und potenziellen künftigen Talenten schon jetzt, sagt Zebeli: "Sie bringen sich von morgens bis abends vorbildlich in die Laborarbeit ein." (Marlene Erhart, 19.5.2017)