Jugendlich, unabhängig im Denken und stets etwas unkonventionell: So sieht sich der neue Wirtschaftsminister Harald Mahrer gern.

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Sieht sich als "Vermittler zwischen den Fronten": Wolfgang Brandstetter wird für die nächsten Monate Vizekanzler.

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Wien – Er habe "keine Ambitionen" auf ein weiteres Amt, werde sich für die Funktion des Vizekanzlers aber "gerne zur Verfügung stellen", sofern man ihn in Ruhe arbeiten lasse: Justizminister Wolfgang Brandstetter gab sich katholisch-bescheiden, als er Dienstagvormittag mit seiner neuen Aufgabe konfrontiert wurde. Die SPÖ wiederum brauchte etwas länger, um sich einig zu werden, wie man zu Brandstetter als Vizekanzler stehe. Auf keinen Fall, hieß es zuerst – man akzeptiere nur Sebastian Kurz als Vize; um nämlich zu verhindern, dass Brandstetter erst recht wegen jeder Kleinigkeit beim designierten Parteichef nachfragen müsste.

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Aus dem Nein wurde aber bald ein Ja, Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erklärte sich bereit, den Justizminister als neuen Vizekanzler vorzuschlagen. Die Verfassung sieht vor, dass Regierungsmitglieder vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Kanzlers ernannt werden.

Mitterlehners Stellvertreter

Weniger umstritten war die Nachbesetzung im Bundesministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Hier hatte Harald Mahrer bereits seit gut zweieinhalb Jahren die Funktion eines Staatssekretärs ausgeübt – und Minister Reinhold Mitterlehner immer dann vertreten, wenn dieser als Vizekanzler oder Parteichef andere Verpflichtungen wahrzunehmen hatte. Brandstetter und Mahrer werden am Mittwoch in der Früh angelobt.

Mahrer war bis zu seinem Eintritt in die Bundesregierung nur Insidern ein Begriff, diesen dafür aber sehr eindringlich: Als Präsident der Julius-Raab-Stiftung (benannt nach dem früheren Bundeskanzler und Wirtschaftskammer-Präsidenten) hat er sich als Partei-Vordenker betätigt und eine Schriftenreihe (Edition Noir) initiiert, die in sechs Bänden die Grundwerte der Sozialen Marktwirtschaft erläutert hat.

Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft

Er selbst formulierte das 2012 – im Vorfeld der vorigen Nationalratswahl – so: "Die intensive Auseinandersetzung mit dem Wert der Solidarität ist heute auch deshalb so dringend geboten, weil er oft als Gegenwert zu wirtschaftlicher Tätigkeit gesehen bzw. inszeniert wird. Das aber ist grundfalsch. Das Wirtschafts- und Ordnungsmodell der Sozialen Marktwirtschaft verweist auf die Voraussetzungsabhängigkeit der Realisierung von Solidarität. Wirtschaftliche Freiheit und Leistungskraft sind die unverzichtbaren Voraussetzungen für institutionell verbürgte Solidarität. Wer weniger Freiheit fordert, kann nicht mit mehr Solidarität rechnen. Wer Leistung als Wert infrage stellt, sägt am Ast, der unseren Solidar- und Sozialstaat trägt."

Seine theoretischen Erwägungen flossen damit auch in das vor zwei Jahren beschlossene Parteiprogramm ein – in das Mahrer als ganz praktische Klausel das Bekenntnis der ÖVP zum Weiterbestand des Bargelds neben dem digitalen Zahlungsverkehr hineinreklamiert hat.

Wohltätige Stiftungen

Mahrer versucht stets, ein wenig von seiner Handschrift durchscheinen zu lassen – und er bekennt sich dazu, politische Visionen zu pflegen: Wenn er von Solidarität spricht, dann meint er auch finanzielle Beiträge der Reichen und Superreichen; aber er will diese Beiträge nicht in Form von Steuern, sondern als Ausschüttungen wohltätiger Stiftungen geleistet sehen.

Ob das funktionieren würde? Mahrer beantwortet zweifelnde Fragen mit dem ihm eigenen optimistischen Lächeln und dem Hinweis, dass man es ja immerhin probieren könnte. Und man probierte es: Mahrer wurde die treibende Kraft hinter der Reform des Stiftungsrechts. Ebenso kümmerte er sich um die Förderung von Start-ups, und er machte der SPÖ bei den Verhandlungen über die Bildungsreform mehr Zugeständnisse, als das manchen seiner Parteifreunde recht war. Aber als Regierungskoordinator muss man flexibel sein.

Mut zum Experiment

Das nämlich gehört zu der Mahrer eigenen Neugier: Man solle in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einfach mehr und mutiger experimentieren, um die besten Modelle zu finden; und man solle sich auch nicht scheuen, erfolgreiche Experimente aus dem Ausland auf ein spezifisch österreichisches Modell zu übertragen. Um neue Ideen zu finden, reist er viel. Und er liest auch viel, was man an den in seine Publikationen eingestreuten Zitaten erkennen kann.

Ein Netz von Ideengebern hat er bereits in seiner Studentenzeit (Betriebswirtschaft an der WU Wien) aufgebaut, vor 22 Jahren wurde er geschäftsführender Obmann der Aktionsgemeinschaft, zwei Jahre lang war er auch ÖH-Vorsitzender an der WU.

Im Jahr 2000 machte sich der 1,94 Meter große Mann mit Legend Consulting selbstständig, sechs Jahre später dockte er bei der PR-Agentur Pleon Publico an. Klar, dass seine politische Heimat der Wirtschaftsbund wurde. Seine persönliche Heimat ist neben Wien (wo er 1973 geboren wurde) Spittal an der Drau, wo Ehefrau Elisabeth ein Privatspital leitet.

Brandstetter "gegen Chaos"

Brandstetter sieht sich jedenfalls als "Vermittler zwischen beiden Fronten", wie er am Mittwoch dem Ö1-"Morgenjournal" sagte. Diese Aufgabe sei sicher "kein Spaziergang", aber es gelte nun eben, "Chaos zu vermeiden". Das sei auch dem Bundeskanzler wichtig, glaubt Brandstetter, dem es nun darum gehe, in der Koalition "Vertrauen zu schaffen". Zwischen den Regierungsparteien sei "die Stimmung natürlich davon geprägt, dass es ein Ablaufdatum gibt". Aber das biete auch den Vorteil, "Dinge noch zu erledigen, die zu erledigen sind". Das sei durchaus möglich – manche Reformen seien schließlich "so gut wie fertig".

Ob er bei Sebastian Kurz nachfragen müsse, bevor er Reformen mit dem Kanzler vereinbare? Ja, sagt Brandstetter, "Rückendeckung" des Parteichefs sei jedenfalls notwendig. Die ÖVP werde jedenfalls nichts unternehmen, um den Koalitionspartner zu überstimmen. (Conrad Seidl, Maria Sterkl, 17.5.2017)