Straßburg – Nach der Wahl des Sozialliberalen Emmanuel Macron zum neuen Präsidenten Frankreichs bahnt sich im Europaparlament ein neuer Vorstoß gegen das teure Pendeln der Abgeordneten, Assistenten und Beamten zwischen Brüssel und Straßburg an. Der erfahrene Europaabgeordnete Jo Leinen sieht durchaus Chancen.

Die EU-Volksvertretung, die seit Jahren mit großer Mehrheit einen einzigen Parlamentssitz in Brüssel fordert, könnte dieses Mal zum Ziel gelangen.

"Neue Chance"

Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU biete sich eine "neue Chance", sagte Leinen der Nachrichtenagentur AFP. Denn die in London ansässige EU-Arzneimittelagentur (EMA) müsse im Zuge des Brexit umgesiedelt werden. "Da liegt es nahe, dass das Parlament die Initiative ergreift und Straßburg als neuen Standort vorschlägt." Mit diesem Angebot könnte Frankreich möglicherweise dazu bewogen werden, das Europaparlament nach Brüssel ziehen zu lassen. Auch Österreich hat sich als Standort für die EMA beworben.

Es gebe viele Argumente für diese Lösung, sagte Leinen. Für die Stadt Straßburg wäre die EMA mit ihren rund 900 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, zumal die Agentur regelmäßig Konferenzen veranstalte, an denen zahlreiche Experten teilnähmen. Um den künftigen Sitz der EMA bewerben sich 21 Staaten.

"Sehr sensibles Thema"

Das Europaparlament hingegen tage nur zwölf Mal im Jahr für jeweils vier Tage in Straßburg. Das Parlament werde diesen Tausch demnächst in einer Entschließung vorschlagen und den Rat der EU-Staaten auffordern, mit der Regierung Macron entsprechende Gespräche aufzunehmen. Das Thema sei allerdings "sehr sensibel". Das Europaparlament sei eine Prestige-Institution, und in Frankreich gebe es "gewiss Verlustängste".

Andererseits koste der "Wanderzirkus" jährlich nicht nur an die 200 Millionen Euro, sondern auch viel Zeit und Energie, sagte der SPD-Abgeordnete. Bei den europäischen Bürgern stoße diese Verschwendung zunehmend auf Unverständnis. Das Thema werde vor der nächsten Europawahl Mitte 2019 von eurofeindlichen Kräften wieder für "Angriffe gegen die EU" genutzt werden. "Das müsste auch dem Pro-Europäer Macron zu denken geben." (APA, 17.5.2017)