Stuttgart/Wolfsburg – Der ehemalige VW-Konzernchef Martin Winterkorn, Markenchef Herbert Diess, Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch – bei mehreren Volkswagen-Führungskräften haben Staatsanwälte bereits den Verdacht geprüft, dass sie die Finanzmärkte nach dem Beginn des Dieselskandals zu spät informiert haben. Nun kommt ein besonders prominenter hinzu: Gegen VW-Konzernchef Matthias Müller laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe bereits im Februar ein entsprechendes Verfahren eingeleitet, teilte sie am Mittwoch mit. Es geht um Müllers Tätigkeit für die Volkswagen-Hauptaktionärin Porsche SE. Dort sitzt der Manager seit 2010 im Vorstand.

Auch gegen Pötsch und Winterkorn leiteten die Stuttgarter Ermittler Untersuchungen ein. "Anlass hierfür war eine Strafanzeige der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) von Sommer 2016", erklärte die Staatsanwaltschaft. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass sie den Anlegern die finanziellen Konsequenzen der VW-Dieselaffäre für die Porsche SE "bewusst verspätet mitgeteilt" hätten.

Verfahren

Pötsch war unter Winterkorn Finanzvorstand, er ist derzeit zudem Vorstandsvorsitzender der Porsche SE. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig laufen gegen ihn, Winterkorn und Diess ebenfalls Verfahren wegen möglicher Marktmanipulation im Zusammenhang mit der Abgasaffäre.

2015 hatten Behörden in den USA aufgedeckt, dass Volkswagen Stickoxidwerte von Dieselfahrzeugen manipulierte. Weltweit waren schließlich Millionen Autos betroffen, Europas größter Autokonzern stürzte in eine tiefe Krise.

Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Fälschungssoftware Ende September 2015 brach der Börsenkurs der VW-Aktie ein. Im Kern geht es bei den Vorwürfen um die Frage, ob die Manager den Kapitalmarkt rechtzeitig über die Probleme informierten. Laut Gesetz müssen Nachrichten, die den Firmenwert beeinflussen können, umgehend ("ad hoc") veröffentlicht werden. Volkswagen erklärte bisher, sich an alle gültigen Regeln gehalten zu haben.

Sitz in Stuttgart

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist im aktuellen Fall zuständig, weil die Porsche-Holding in der Hauptstadt Baden-Württembergs ihren Sitz hat. Neben Müller waren auch Winterkorn und Pötsch zu Beginn des Abgasskandals für die Beteiligungsgesellschaft tätig: Winterkorn als Vorstands-, Pötsch als Finanzchef. Bei nachgewiesener Marktmanipulation droht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine hohe Geldstrafe.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft hatte am vergangenen Mittwoch erklärt, dass es Anzeigen der deutschen Finanzaufsicht Bafin gegen die drei Manager gebe. In Braunschweig gehen die Strafverfolger in der Dieselaffäre außerdem in mehreren Dutzend Fällen dem Verdacht des Betrugs nach – auch gegen Winterkorn. (APA, 17.5.2017)