Wien/Brüssel – Die EU-Kommission hat laut Wissenschaftsministerium am Mittwoch die Aufhebung ihres Moratoriums gegen die Quotenregelung beim österreichischen Medizinstudium bekanntgegeben. Damit können weiterhin 75 Prozent der Anfängerplätze in Medizin für Studenten mit österreichischen Maturazeugnis reserviert werden.

Die Kommission fordert Österreich jedoch auf, die Quote für Zahnmedizin abzuschaffen. Sie beschloss am Mittwoch, das seit langem anhängige Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich im Zusammenhang mit den Zugangsbeschränkungen zum Medizin- und Zahnmedizinstudium für Studierende aus anderen EU-Staaten einzustellen.

Ausgehend von Daten der österreichischen Behörden habe die Kommission befunden, "dass das für das Medizinstudium geltende Quotensystem berechtigt und angemessen ist, um das öffentliche Gesundheitssystem in Österreich zu schützen, und daher beibehalten werden darf", teilte die Kommission mit. Sie fordert Österreich jedoch auf, die Situation weiterhin genau zu überwachen und alle fünf Jahre Bericht zu erstatten, ob die Beschränkungen beibehalten werden sollten.

"Kein Mangel"

Die Beschränkungen für das Zahnmedizinstudium seien "nicht gerechtfertigt, da kein Mangel an Zahnärzten prognostiziert ist", erklärte die Kommission. Das Vertragsverletzungsverfahren werde daher eingestellt mit der Vorgabe, dass die genannten Beschränkungen rechtzeitig zum Studienjahr 2019/20 aufgehoben werden. Die Kommission behält sich außerdem das Recht vor, das Vertragsverletzungsverfahren weiterzuverfolgen, wenn die Beschränkungen bis dahin nicht beseitigt werden.

Von den derzeit 1.620 Medizin-Studienplätze entfällt der überwiegende Teil auf die Humanmedizin, nur 144 sind für Zahnmedizin reserviert. An der Medizin-Uni Wien sind das 80 der 740 Studienplätze, in Graz 24 von 360 und in Innsbruck 40 von 400. An der Medizin-Fakultät Linz (derzeit 120 Studienplätze) kann nur Humanmedizin studiert werden.

Der neue Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) sieht durch die Entscheidung "die Qualität und Versorgung unseres Gesundheitsstandortes nachhaltig sichergestellt", die Medizin-Unis hätten damit "endlich Rechtssicherheit".

Die Quoten wurden eingeführt, nachdem der Europäischen Gerichtshof die Zugangsregelung aufgehoben hat. Diese Zugangregelung besagte, dass man in Österreich nur studieren durfte, wenn man im Heimatstaat eine Studienberechtigung hatte. Zahlreiche deutsche Numerus-Clausus-Flüchtlinge kamen daraufhin nach Österreich.. Außerdem wurde die Zahl der Anfängerplätze für Human- und Zahnmedizin auf 1.500 beschränkt (mittlerweile 1.620; ab 2022: 1.800).

Diese Regelung war ursprünglich von der EU-Kommission wegen der Diskriminierung von EU-Bürgern bekämpft worden. Bis Ende 2016 wurde allerdings ein Moratorium gewährt: Bis dahin musste Österreich nachweisen, dass ohne Quote die medizinische Versorgung des Landes nicht gesichert ist – etwa weil Studenten aus Deutschland (sie stellen die große Mehrheit der Studenten aus EU-Ländern) nach ihrem Studienabschluss Österreich wieder verlassen und dem heimischen Gesundheitssystem damit nicht zur Verfügung stehen. Anfang Oktober schickte Österreich einen rund 180 Seiten starken Bericht nach Brüssel, der diese drohende Entwicklung untermauern sollte.

Ministerium verweist auf Ärztemangel

Das Wissenschaftsministerium betonte am Mittwoch in seiner Aussendung, dass ohne Quotenregelung der Anteil der deutschen Studienanfänger im Jahr 2012 bei rund 50 Prozent gelegen wäre, von denen allerdings circa 77 Prozent nach Abschluss des Studiums wieder in ihre Heimat zurückkehren. Somit wären rund 700 Medizin-Absolventen weniger in Österreich geblieben und in der Folge würden bis 2030 etwa 3.500 Ärztestellen im Gesundheitssystem fehlen.

Mahrer verwies auf in den vergangenen Jahren gesetzte Maßnahmen zur Attraktivierung des Arztberufs in Österreich, etwa die Studienreform mit mehr Praxiserfahrung für die Studenten oder die Anhebung der Gehälter der Spitalsärzte. Es brauche aber zusätzlich verbesserte berufliche Rahmenbedingungen für Jungärzte. "Hier sind die künftigen Arbeitgeber und die einzelnen Standorte gefordert. Eine alleinige Aufstockung der Studierendenzahlen in Humanmedizin kann jedenfalls nicht die einzige Lösung sein, wenn offensichtlich ist, dass die Absolventen aus beruflichen Gründen wegziehen", so Mahrer.

Erst kürzlich hatten Zahlen von Statistik Austria gezeigt, dass 84 Prozent der Deutschen, die in Österreich Medizin studiert haben, in den ersten drei Jahren nach dem Abschluss das Land verlassen. Auch der Großteil der Medizin-Absolventen aus anderen EU-Ländern (69 Prozent) und aus Drittstaaten (60 Prozent) geht demnach innerhalb von drei Jahren nach Abschluss ins Ausland. (APA, 17.5.2017)