Wien – Äußerst knapp ist am Mittwoch im Nationalrat die Vorstellung des frisch als Vizekanzler angelobten Justizministers Wolfgang Brandstetter (ÖVP) abgelaufen. Verantwortung und nicht Taktik müsse im Vordergrund stehen, sagte Kanzler Christian Kern (SPÖ). "Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne, nein", konzedierte Brandstetter und versprach die Wahrnehmung von staatspolitischer Verantwortung.

Kern nahm sich für seine Wortmeldung gerade einmal eineinhalb Minuten Zeit. Im Mittelpunkt stehe, für einen geordneten Übergang bis zur Nationalratswahl zu sorgen, sagte er. Die Entscheidung der ÖVP, Brandstetter zum Vizekanzler zu machen, akzeptiere er "selbstverständlich". Durchgerungen hatte sich der SPÖ-Chef dazu erst am Vortag, nachdem er vergeblich darauf bestanden hatte, dass der designierte ÖVP-Chef Sebastian Kurz selbst diese Aufgabe übernimmt. Für Brandstetter gab es Dank, "dass du diese Verantwortung übernimmst".

"Ungewöhnliche Zeiten"

Der neue Vizekanzler zeigte sich aufgeräumt. Man lebe in "ungewöhnlichen, innenpolitisch turbulenten Zeiten", meinte er, "ich sehe mich als Brückenbauer". Er dankte Kurz für das Vertrauen: "Umgekehrt vertraue auch ich darauf, dass sein Weg, das Aufbrechen alter, überkommener parteipolitischer Strukturen, der richtige ist."

Launig ging er auch auf die Hermann-Hesse-Zitate ein, die sein Vorgänger Reinhold Mitterlehner sowohl beim Antritt als auch beim Rücktritt bemüht hatte. "Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne, nein", so Brandstetter. "Jetzt geht es um Realitätssinn, um Sachpolitik, um das, was noch machbar ist, auch wirklich umzusetzen. Dem fühle ich mich verpflichtet, und das werden wir gemeinsam in Angriff nehmen und auch zu einem vernünftigen, würdigen und konstruktiven Ende bringen."

Brandstetters Wortmeldung wurde im Plenum von der Opposition mit Hohngelächter quittiert. Für Ärger sorgte zudem, dass der neue Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) zu Beginn der Debatte noch nicht da war. "Er steckt im Stau", nahm ihn ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka in Schutz.

Wahlkampf prägt Debatte

Der bevorstehende Wahlkampf prägte die Debatte im Nationalrat. Die Opposition bezweifelte, dass es nun tatsächlich zum "freien Spiel der Kräfte" im Parlament kommen wird, hält es aber auch für unwahrscheinlich, dass die Koalition selbst noch etwas zustande bringt.

FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz wies darauf hin, dass SPÖ und ÖVP zwar umsetzungsreife Projekte angekündigt hätten, es zwischen den zehn der Sozialdemokraten und den sieben der Volkspartei aber keine Überschneidungen gebe. Zu erwarten sei damit "kein Finale furioso, sondern Stillstand, Lähmung und fünf Monate intensiver Wahlkampf".

Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig erinnerte daran, dass am Vortag auch die SPÖ den grünen Fristsetzungsantrag zur Öffnung der Ehe für Homosexuelle niedergestimmt habe. Dabei hätte es sich damit nicht einmal um eine inhaltliche Entscheidung gehandelt. Als Wahlziel gab Glawischnig aus, eine blaue Regierungsbeteiligung zu verhindern. Schließlich erinnere sich noch jeder an das schwarz-blaue Regierungsversagen.

Neos-Klubchef Matthias Strolz nahm sich noch einmal Kurz vor, weil sich dieser weigere, Verantwortung zu übernehmen: "Ich, ich, ich, das ist das Mantra dieser Partie." Wohl auch in Richtung SPÖ meinte Strolz, es gehe hier nur um Machterhalt. Anders sein Zugang: "Es soll um Österreich gehen und nicht um Egoshooter."

Für das Team Stronach thematisierte Klubchef Robert Lugar vor allem die Zuwanderungspolitik, wo die Regierung dafür verantwortlich sei, dass es zu keinem Stopp gekommen sei: "Man will Zuwanderung und befördert Zuwanderung."

Die Koalition versuchte sich zumindest inhaltlich produktiv zu geben. Sowohl SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder als auch Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner kündigten an, dass noch an diesem Tag vier Anträge eingebracht werden, die dann im Ausschuss weiterdiskutiert werden sollen: zur Studienförderungsreform, zur Forschungsprämie, zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten und zur "Aktion 20.000". Haubner betonte dann auch: "Wir sind gefordert weiterzuarbeiten." Dabei peilt er auch weiter "moderne Arbeitszeiten", also eine Flexibilisierung, an.

In die Hochschülerschaftswahl stieg Schieder ein, indem er breit den Skandal um geheime Social-Media-Gruppen der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft am Wiener Juridicum thematisierte, in denen höchst geschmacklose Juden- und Behindertenwitze ausgetauscht wurden. Er forderte den neuen Wissenschaftsminister Mahrer auf, dafür zu sorgen, dass hier sämtliche Verantwortliche von ihren Posten entfernt werden.

Mahrer selbst konzentrierte sich in einem kurzen Redebeitrag auf seine künftige Aufgabe. Alle Projekte, die von seinem Haus bereits operativ behandelt würden, würden auch weitergeführt, versicherte der neue Wirtschafts- und Wissenschaftsminister. (APA, 17.5.2017)