"Nach einer Fahrtbehinderung kommt es auf der Linie U6 zu unterschiedlichen Intervallen."

"Die Straßenbahnlinie 5 kann wegen eines Rettungseinsatzes derzeit in beiden Richtungen nur unregelmäßig fahren."

"Wegen eines Falschparkers in der Kirchengasse ist die Linie 13A in Fahrtrichtung Alserstraße, Skodagasse an der Weiterfahrt gehindert."

Das sind drei Störungenmeldungen, die die Geduld der Fahrgäste der Wiener Linien vor Kurzem auf die Probe gestellt haben. Im Laufe eines Tages gehen in der Zentrale in Wien-Erdberg noch mehr solcher Meldungen der Lenker von U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen ein. 21 waren es im Durchschnitt im Vorjahr pro Tag, fast 7.900 im ganzen Jahr.

Zusammenfassung: Diese Linien sind besonders anfällig.
derStandard.at

Zur Rushhour operiert das Netz auf manchen Linien an der Belastbarkeitsgrenze. Dann fährt beispielsweise auf der U6 alle zweidreiviertel Minuten ein Zug in die Station ein. In diesem sensiblen System können kürzeste Unterbrechungen unmittelbar zu Störungen im geplanten Intervall führen. Wie oft es auf Ihrer Linie pro Monat zu Störungen kommt, finden Sie in dieser Grafik heraus. Wählen Sie dafür die Linie aus, deren Anzahl von Störungen pro Monat seit Oktober 2013 Sie sehen möchten.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der schadhaften Fahrzeuge, Gleis- und Weichenschäden sowie Fahrleitungsgebrechen gestiegen. Allerdings führen auch externe Einflüsse – Falschparker, Einsätze von Blaulichtorganisationen, Verkehrsunfälle – häufiger zu Unregelmäßigkeiten. Verspätungen – etwa wegen Verkehrsüberlastung – kommen hingegen seltener vor. Das zeigt eine Auswertung der Störungsdaten aus der Fahrgastinformation, die über eine Schnittstelle der Wiener Linien ausgelesen werden können und auf der Website f59.at seit September 2013 abrufbar sind. Andere Verkehrsbetriebe, wie beispielsweise die ÖBB, gehen mit Abweichungen vom Fahrplan nicht so transparent um.

Intern wählen die Wiener Linien einen anderen Weg, um ihre Zuverlässigkeit messen. Das Unternehmen wertet in seiner Statistik aus, wie viele der geplanten Kilometer nicht gefahren wurden. So wird für 2016 eine Zuverlässigkeit von 99,2 Prozent ausgewiesen. Demnach sind 0,8 Prozent der im Plan vorgesehenen Fahrten entfallen. Unpünktlichkeit und unregelmäßige Intervalle sind im Prozentwert entfallener Kilometer an den geplanten Kilometern allerdings nicht enthalten. Ein kompletteres Bild ergibt sich bei genauerer Analyse der Daten aus der Open-Data-Schnittstelle. Die meisten Probleme treten in der Rushhour auf. Dann sind die meisten Menschen am Weg zur Arbeit oder in die Schule und die Intervalle zwischen den Zügen am kürzesten – der Betrieb also sensibel für jede kleinste Abweichung. Morgens zwischen 7.45 Uhr und 8.15 sind werktags Störungen und Verspätungen doppelt so häufig wie in anderen 15-Minuten-Intervallen. Zudem sind Unregelmäßigkeiten zwischen 16 Uhr und 17 Uhr wahrscheinlicher.

Dadurch trifft eine Störung ungleich mehr Menschen als in den Nachtstunden. Denn in einer voll besetzten U-Bahn-Garnitur fahren etwa 800 bis 900 Menschen.

Harald Kastner ist bei den Wiener Linien für das Einsatz- und Störungsmanagement verantwortlich.
Foto: gartner

"Die Wahrnehmung dieser Einzelfälle wird dann hochgerechnet und es heißt: 'Die sind schon wieder unpünktlich.' Vervielfacht wird der Eindruck dann dadurch, dass manche über die Verzögerung in den sozialen Medien und Gruppenchats schreiben. Die Störung ist teilweise sogar schneller online als in unserer Leitstelle", sagt Harald Kastner. Er leitet das Störungs- und Einsatzmanagement der Wiener Linien.

Seine Mitarbeiter – 85 für das gesamte Linienmanagement im Schichtbetrieb – arbeiten mit den Fahrern und weiteren Einsatzkräften an der Wiederherstellung der geplanten Intervalle. Das passiert über Funk und über das Videoüberwachungssystem. Sie geben, wenn keine unmittelbare Behebung absehbar ist, die Störung an die Fahrgastinformation weiter.

Julian Seif koordiniert bei Störungen zwischen Leitstelle und Mitarbeitern, die vor Ort sind. Er nimmt beispielsweise die Meldungen von Straßenbahn- und Bus-Fahrern auf.
Foto: gartner

Die Mitarbeiter dieser Abteilung sitzen nur wenige Meter neben den Störungsmanagern der Wiener Linien. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Störungsmanagement funktioniert. Der Ablauf dafür ist in Handbüchern definiert. In seltenen Fällen rückt Harald Kastner oder einer der 14 weiteren Einsatzleiter persönlich aus. Das kommt bei Unfällen mit hohen Sach- oder schweren Personenschäden vor beziehungsweise bei großflächigen Betriebsausfällen.

Sprühregen und Nebel gefährlich

Die Einsatzleiter koordinieren eigene Mitarbeiter mit Kräften von Polizei, Rettung und Feuerwehr. Am häufigsten sind sie bei Nebel und Sprühregen gefordert. Außerdem sei eine gewisse Saisonalität bei den Störungen zu erkennen, sagt Einsatzleiter Kastner: "Von April bis Juli und von September bis Weihnachten sehen wir meistens einen Anstieg. Dann sind mehr Menschen in der Stadt, also mehr Potenzial für Konflikte gegeben."

Überhaupt werden Störungen bei Bim und Bus gerne auf andere Verkehrsteilnehmer zurückgeführt. Schnee im Winter sei eigentlich kein Problem. Dass aber Autos Streusplitt und Schnee in die Straßenbahnschienen drücken, führt häufig zu Verzögerungen. Dann muss der Fahrer aussteigen, die Gleise reinigen und wieder zurück in den Wagen. Der Fahrplan ist dann nicht mehr einzuhalten.

Anders ist das bei den U-Bahn-Linien. Medial im Blickpunkt steht immer wieder die U4. Nach der Teilsperre der Linie im Vorjahr von Ende April bis Anfang September zwischen Hütteldorf und Hietzing beziehungsweise Schönbrunn sollte sich die Lage für die Fahrgäste verbessern.

Blick auf die gesperrte U4-Trasse am Ende Juni 2016 in Hietzing.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Der Gleisuntergrund und die Gleise wurden vollständig erneuert, die Technik modernisiert. Hat das etwas gebracht? Geht es nach der Zahl der Störungen für die gesamte U4-Strecke, eher nicht. Seit der Wiedereröffnung gibt es meist mehr als 20 Störungen pro Monat. Davor war das Niveau niedriger.

Auch die Dauer der Störungen ist auf einem höheren Niveau im Vergleich zur Periode vor der Wiedereröffnung. Wer die Zeit von Störungsbeginn und Verkehrsaufnahme pro Monat aufsummiert erhält dieses Bild für die U4:

Etwa ein Drittel der Störungen nach Wiedereröffnung im September kann auf externe Ursachen zurückgeführt werden – der Rest entfällt beispielsweise auf schadhafte Fahrzeuge und Signalstörungen. "Die Modernisierungsarbeiten laufen noch bis 2024 und die neue Technik muss sich noch einspielen. Nur weil keine Bagger zu sehen sind, oder Streckenabschnitte nicht gesperrt sind, heißt das nicht, dass nicht gearbeitet wird. Wir hatten zudem wenig Zeit, um die Arbeiten umzusetzen. Andere Städte sperren dafür eine Linie jahrelang", sagt Daniel Amann, Sprecher der Wiener Linien.

Zufriedenheit höher als in anderen großen Städten

In anderen Städten sind auch die Zufriedenheitswerte mit dem öffentlichen Transportsystem schlechter als in Wien. Das zeigt sich auch in der STANDARD-Community immer wieder:

In der Bundeshauptstadt sind fünf Prozent nicht zufrieden. Nur in Zürich sind es gemäß der Zahlen aus einer Eurostat-Erhebung noch weniger.

Am anderen Ende des Rankings sind italienische Großstädte: Napoli, Rom und Palermo. Dort sind mehr als sechs von zehn Fahrgästen unzufrieden. (Gerald Gartner, Markus Hametner, 29.5.2017)