Die Tänzer Anita Berber und Sebastian Droste, fotografiert von Dora Kallmus 1922.

Foto: Albertina, Wien

Wien – Anno 1964 in einem Pariser Hotelzimmer war's, dass der US-amerikanische Fotograf Will McBride die Schauspielerin Romy Schneider für ein Jugendmagazin ablichtete. Doch – auch auf die Gefahr hin, jetzt ein bisschen pathetisch zu werden – welche Rolle spielen schon Raum und Zeit, wenn Romy Schneider im Bild ist? So fragt man sich, wenn man eine Handvoll der 76 entstandenen Fotografien heute in der Albertina sieht.

Auf einem Foto blickt die Schneider, gerade 26 Jahre alt, lasziv an uns vorbei. Ein anderes zeigt sie lachend, eingefroren in einem Moment großer Ausgelassenheit – womöglich scheinbarer Ausgelassenheit. Wenige Jahre zuvor war Schneider vor ihrem überwältigenden Erfolg als Sissi nach Paris "geflohen"; vierzehn Tage vor der Fotosession mit McBride hatte Alain Delon sie verlassen. All dies mag, zusammen mit der ganzen tragischen Zukunft, von der wir Heutigen wissen, im schwarzen Hintergrund dieser Bilder liegen – überstrahlt von Glamour und einer vielleicht allzu großen Schauspielkunst.

Acting for the Camera heißt die dazugehörige Ausstellung der Albertina, es handelt sich um eine Präsentation der Fotosammlung. Kurator Walter Moser konzentrierte sich dabei diesmal auf Fotografien, die sich mit mancherlei Erkenntnisgewinn auf das Verhältnis von Fotograf und Modell befragen lassen: Wer inszeniert hier eigentlich wen, wer führt Regie? Wer ist der eigentliche Schöpfer des Bildes, der Fotograf oder sein Modell?

Modell als Versuchsobjekt

Am Ende des 19. Jahrhunderts war das Verhältnis einigermaßen klar. In Fotografien von Albert Londe oder Ottomar Anschütz werden Bewegungsabläufe – etwa beim Gewichtheben – per Kamera in Einzelbilder zerlegt. In diesen an die Studien des Engländers Eadweard Muybridge erinnernden Blättern wird das Modell zum Versuchsobjekt einer Fotografie, die sich als wissenschaftliches Werkzeug begreift.

Lange Zeit war es aber auch die Malerei, die dafür sorgte, dass von individuellem Ausdruck kaum eine Rede sein konnte. Dies zeigen etwa Studienvorlagen, mit denen in Wien Otto Schmidt handelte: In schöner Ordnung sind auf einem Miniaturenblatt (ca. 1900) von der Kunstgeschichte inspirierte Posen versammelt, bei denen sich Maler unterstützend bedienen mochten. Vom vorläufigen Primat der Malerei wissen aber auch jene Tableaux vivants zu erzählen, für die sich müßiggehende Großbürger in Szene setzten wie in Aaron vor dem Pharao (Eduard van Delden, um 1890).

Die Individualität des Körpers rückt in den Vordergrund, als sich die Fotografie mit dem modernen Ausdruckstanz zusammentut. Für diese Verbindung, die für die Fotografen Erkenntnisse über die Inszenierung von Bewegung bedeutete und den Tänzern werbekräftiges Bildmaterial bescherte, steht etwa eine Bildserie, die Hugo Erfurth 1912 von Clotilde von Derp-Sacharoff anfertigte. Gezeigt werden aber auch Porträts von Schauspielern, teils in ihren Rollen, teils eher außerhalb – und dann eben von Romy Schneider.

Fernab der Verklärung

Weg von jedweder Idealisierung des Körpers führt ein Kapitel über aktionistische Inszenierungen: Die Selbstporträts des Briten John Coplans etwa zeigen dessen Körper nicht nur in sezierenden Nahaufnahmen, sondern außerdem inklusive jedes nun einmal dazugehörigen Härchens und Fältchens. Fernab des schönen Scheins liegen aber freilich auch Fotos, die bei Aktionen Günter Brus' oder Rudolf Schwarzkoglers entstanden.

Ein Highlight der Schau ist die Serie Kamaitachi (1969) des japanischen Fotografen Eiko Hosoe: Der Butoh-Tänzer Tatsumi Hijikata "verwandelte" sich dafür in einen wieselgleichen Dämon aus der japanischen Mythologie, um die Natur rund um ein Bauerndorf zu durchstreifen. Hosoe folgte Hijikata, um spontane Performances und Begegnungen zu dokumentieren – selbst gleichsam ein Tänzer mit der Kamera. (Roman Gerold, 18.5.2017)