Bei der Planung der Baugruppe JAspern ging es nicht nur um Wohnungen, sondern auch um das Umfeld.

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Die Dachterrasse steht allen Bewohnern zur Verfügung.

Foto: POS/Markus Kaiser

Das Belichtungskonzept des Stiegenhauses: Durch die geschoßweise zurückspringenden Plattformen der Stiegen erreicht Tageslicht auch die unteren Geschoße.

Plan: POS

Grundriss Erdgeschoß

Plan: POS

Grundriss Dachgeschoß

Plan: POS

Das Wohnprojekt JAspern in der Seestadt Aspern zeichnet sich dadurch aus, dass es von den Bewohnern zur Gänze in Eigenregie initiiert, finanziert und umgesetzt wurde. Fritz Oettl von Cofabric hat das Projekt nicht nur entwickelt, sondern auch als Projektsteuerer fungiert. "Der Bauträger ist die Gruppe, und die Baugruppe braucht eine Organisation, die ein wenig führt und steuert. Diese Rolle habe ich im Wesentlichen übernommen."

Oettl, der selbst im Haus wohnt, bringt seine Erfahrungen mit dem Prozess des Zusammenwachsens auf den Punkt: "Selber mitzumachen, mittendrin zu sein, das hat für mich die Erkenntnis gebracht, dass das Wesentliche an den Baugruppen der soziologische Effekt ist. Das gemeinsame Wollen und das 'Sich-gemeinsam-Drübertrauen' hat eine besondere Energie. Das ist ein wesentlicher Aspekt, der vielleicht nicht messbar ist für die Stadt oder die Nachbarschaft, aber sehr wohl spürbar."

Für Architektin Ursula Schneider vom Generalplaner POS Architekten ZT KG besteht der Vorteil des gemeinschaftlichen Bauens und Wohnens in der Synthese dreier Themenfelder. Erstens: individuelles Wohnen zu verwirklichen, ohne dafür ein ressourcenverschlingendes Einfamilienhaus bauen zu müssen. Zweitens: gemeinschaftlich nutzbare Räume zu konzipieren, die die Wohnqualität erhöhen. Drittens: in Gemeinschaft zu leben. "Das bietet die Möglichkeit, dass ein Netzwerk für Leute entsteht, die ein gemeinsames Ziel haben. Die später – teilweise – ein gemeinsames Leben als Hausgemeinschaft führen. Das macht es aus für mich. Mich interessiert das Konzept als generelle Antwort auf die sehr prinzipielle Frage: Wie sollen wir heute wohnen?"

Umfeld schaffen

Kurt Hofstetter ist Mitglied des Wohnprojekts und zieht Parallelen zur vorbildhaften Baukultur in Wien vor bald 100 Jahren: "Es klingt vielleicht etwas dramatisch, aber ich denke immer wieder an das Rote Wien. Was damals gemacht wurde, war im Grunde nicht nur, Wohnungen zu bauen, sondern zugleich auch ein Umfeld mitzuschaffen, das nicht für das Gebäude selbst wirkt, sondern für das Quartier." So seien damals beispielsweise ganz bewusst Bibliotheken gefördert worden. "Interessanterweise machen dies die Baugruppen wieder. Ich habe das Gefühl, dass eine Riesenchance besteht, etwa den ganz normalen Wohnbau nach dem System von Baugruppen abzuwickeln", sagt Hofstetter.

Er sieht JAspern eingebettet in einen Masterplan der Stadt und der Wien 3420 Aspern Development AG, der es ein Anliegen war, in der Seestadt Baugruppen zu ermöglichen. "Die Erwartungshaltung war, dass Menschen aktiv dazu beitragen, dass Wohnraum geschaffen wird. Und die nachher ihre Energien einsetzen, wenn es um das Ausstrahlen in den öffentlichen Raum geht."

Kaum Sorgen haben Fritz Oettl die Baukosten für JAspern gemacht: "Es war von Beginn an ein klarer Kostenplafond eingezogen, und wir haben im Interesse der Zielqualität entschieden." Ein anderes Problem hat ihn und die Gruppe mehr beschäftigt: das Pflichtkontingent an Wohnungen für das Wohnservice der Stadt Wien. "Die Leute, die endlich den Zuschlag für eine Wohnung bekommen haben, fragten: Was bitte ist eine Baugruppe? Denen muss man erklären, was seit zwei Jahren oder schon länger gemeinsam entwickelt worden ist. Und dass sie da reinpassen müssen, obwohl sie ein Anrecht auf eine Wohnung haben. Das war schwierig und ist etwas, was man in Zukunft anders lösen muss", resümiert Oettl.

Neue Modelle nötig

Architektin Ursula Schneider sieht eine Zeitenwende auf uns zukommen: die Postwachstumsökonomie. "Es wird weniger Erwerbsarbeit für uns geben, wir werden weniger verdienen und daher mehr teilen, aber auch mehr zusammenarbeiten müssen. Es ist dringend notwendig, dass wir dafür Modelle entwickeln. Die Baugruppen sind ein kleiner Schritt in diese Richtung."

Ursula Schneider und Fritz Oettl stimmen Kurt Hofstetter zu, der sein Grundverständnis von Stadt so formuliert: "Wir alle sind Stadt. Diese vermeintliche Teilung, da die Stadtplanung und die Politik und da wir armen Bürger, die sich bedienen lassen, das sehe ich nicht als Zukunftsmodell. Ich sehe, dass die Baugruppe ein sehr guter Bauherr sein kann, wenn sie gut geführt und organisiert ist, und schneller und besser innovativere Ansätze entwickeln kann. Wenn man die Baugruppenprojekte betrachtet und analysiert, dann kann man herauslesen, in welche Richtung gutes Leben in der Stadt gehen könnte." (Michael Kerbler, 22.5.2017)