Foto: screenshot/trailer

Die für mich spannendste Frage zum Restart von "Twin Peaks" war, ob David Lynch und Mark Frost wieder die Titelmelodie von Angelo Badalamenti einsetzen würde, und – Achtung, jetzt kommt ein böser Spoiler! – große Erleichterung, sie haben. Überhaupt sind die ersten zwei Minuten der dritten Staffel eine Komposition für sich, die alles einfängt, wofür "Twin Peaks" stand. Der rote Vorhang, die Verheißung der Laura Palmer, vernebelte Tannen, verwaiste Schulflur, anonyme Pokalvitrine mit dem Bild Laura Palmers und dann, auf den Punkt genau: Dammm-da-dammmmmm – ahhhh! Kyle MacLachlan wird im Alter Frank Elstner immer ähnlicher, aber das muss kein Nachteil sein. David Lynch ist ein Menschenfänger, mich hat er.

Noch etwas: Arte hat in und außerhalb der Branche einen guten, aber auch einen einschlägigen Ruf: Das Programm ist löblich, wird aber von der überwiegenden Mehrheit der potentiellen Seherschaft entschieden gemieden. Immer noch ist Bildungsauftrag als fad verschrien, diverse öffentlich-rechtliche Sender haben dazu beigetragen und tun es bisweilen immer noch.

Bitte nicht falsch verstehen: Der allgemeinen Arte-Verehrung hänge ich nicht an, auch das Kultur- und Informationsprogramm des deutsch-französischsprachigen Senders hat mitunter lähmende Tendenzen. Zum 25. Geburtstag, den Arte in dieser Woche feiert, möchte man also weitere 25 Jahre mit manchmal weniger gut gemeintem Frontalvortragsprogramm wünschen. Nix für ungut und bonne anniversaire!

Jetzt zum Kernauftrag – Empfehlenswertes aus Fernsehen und Serie: Wir halten in Woche 21, ein Höhepunkt jagt den nächsten, die Karten werden neu gemischt, soviel vorweg: es schoppt sich.

Freitag, 26.5. – Bloodline 3, Netflix
Schuld und Sühne an den Florida Keys: Der Psychothriller um die schrecklich nette Familie Rayburn mit Ben Mendelsohn und Kyle Chandler geht in die dritte Runde. Nach dem furiosen Auftakt um Brudermord und Vertuschung gab die zweite Staffel nach. Aber schon allein Cissy Spaceks wegen muss auch die dritte und letzte Staffel gesehen werden, da führt kein Weg daran vorbei. Für Prie-View gabs keine Preview, es bleiben gemischte Gefühle: Vorfreude und Skepsis.

Netflix

Freitag, 26.5. – War Machine, Netflix

Entschlossenen Schrittes wie einst Pam Grier als Quentin Tarantinos "Jackie Brown" quert General Glen McMahon den Flughafen. Das sind aber auch schon genug der Parallelen in David Michôds ("Animal Kingdom") Satire zwischen dem Viersterne-General, denn mit der smarten Jackie Brown hat der forsche Militärkommandant wenig gemein: In der Hand trägt er eine Tasche, vor sich ein Ziel: Krieg: "Fertig, Jungs?", ruft der Big Glen seinen Soldaten zu. Alle wirken entspannt, einer sagt: "Ok, lasst uns die Sache gewinnen." So war es 2001 am Beginn des Afghanistan-Krieges, so blieb es nicht. Aber General McMahon hielt Stand, gehorchte und tat die ganzen Jahre über seinen Job, selbst dann, als Präsident Obama den Truppenabzug versprochen hatte. "Dieser Krieg wird gewonnen mit dem unanfechtbaren Vertrauen und der Macht unserer Ideale!", doziert der General. Träum weiter, Glen.

Die Geschichte zum Netflix-Film "War Machine" basiert zum Teil auf Michael Hastings 2012 erschienenem Bestseller "The Operators: The Wild and Terrifying Inside Story of America’s War In Afghanistan" und seinem "Rolling Stone"-Interview 2010 "The Runaway General", nach dessen Erscheinen Obama den Militärkommandanten Stanley McChrystal wegen (teils erfundener) Kritik am US-Präsidenten feuerte. Die Story wird aus der Sicht des Reporters erzählt, bis zur Halbzeit als Stimme aus dem Off, danach gespielt von Scoot McNairy.

120 Minuten, 60 Millionen Dollar, Brad Pitt, Ben Kingsley und Tilda Swinton als kritische Deutsche, der Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis gehören zur Ausstattung dieses sehr abgeklärten Stücks Kriegsatire, das trotz des beträchtlichen Einsatzes nicht recht flutscht. Viele Storys, konfus erzählt, Pitt drückt als grobschlächtiger Soldatendump zu sehr auf die Tübe, wirkt auf Dauer ermüdend.

Netflix US & Canada

Samstag, 27.5. – Wilde Miezen, 21.45 Uhr, Arte
Nein, Prie-View driftet weder ins Halbseidene ab, noch werden auf billige Art Klicks generiert. Sicher nicht! Für Katzenliebhaber ist aber diese Doku ein Muss. Sie stellt die Frage, was die Tiere eigentlich antreibt und was sie machen, wenn wir gerade nicht hinschauen, zum Beispiel, wenn es dunkel wird. Martina Treusch verfolgt in der 52-minütigen Dokumentation zehn Katzen durchs nächtliche Weimar. Es geht dann letztlich nicht so sehr um das geheime Leben der Katzen, sondern um etwas langatmig geratene Verhaltensbeschreibungen von Veterinärmediziner und Katzenhalter, aber putzig anzuschauen sind die "wilden Miezen" ja trotzdem. Wir lernen: Je mehr Katzen, desto größer der Stress, und untereinander sind die Maunzis nicht immer sehr nett.

Foto: MDR/Hoferichter & Jacobs Film- und Fernsehproduktion

Montag, 29.5. – Cameraperson – Kirsten Johnson, Arte online
25 Jahre arbeitete Kirsten Johnson als Kamerafrau für Dokumentarfilme. Das Material für die vorliegende Arbeit drehte sie ursprünglich für andere Filme. Für ihre Memoiren gestaltete die 51-jährige Künstlerin eine Collage mit den Aufnahmen: "Diese Bilder prägten mich nachhaltig und lassen mich bis heute staunen." Aus der Perspektive der Kamerafrau, die unter anderem für "Citizenfour" über Edward Snowden hinter der Kamera stand. Ein schöner, stimmiger Kunstfilm in der Geburtstagswoche des Senders. Der ursprüngliche Sendetermin war mit 30. Mai veranschlagt, wurde anscheinend gekippt. In der Mediathek kann man den Film laut Arte von 29. Mai bis 5. Juni sehen.

Movieclips Film Festivals & Indie Films

Dienstag, 30.5. – House of Cards, 20.15 Uhr, Sky Atlantic HD
Bis vor dieser Staffel dachte man, es kann keinen dreisteren US-Präsidenten geben als IHN, Frank Underwood, fiktiver Oberschurke der Vereinigten Staaten von Amerika. Seit dem 20. Jänner 2017 kann man sich da nicht mehr so sicher sein, und das ist auch die große Frage vor dem Start der fünften Staffel von "House of Cards": Schaut der Serienbosnigl gegen den realen Gelbmann blass aus? Prie-view sah zwei Folgen vorab und darf verraten: Frankie-Boy hat's noch immer drauf. Um die Wahl zu gewinnen, ist ihm nichts heilig. Sollte er jemals für seine bösen Taten zur Verantwortung gezogen werden, allein für die Schändlichkeiten in diesen beiden Folgen müsste er dreimal in der Hölle schmoren.

Man kommt natürlich in der fünften Staffel aufgrund der realpolitischen Verhältnisse noch weniger als bisher umhin, zu denken: Spielt sich das wirklich so ab? Angeblich zeichnet sich speziell "House of Cards" durch größte Realitätsnähe aus, was politische Entscheidungsfindung in den USA betrifft, und das ist ziemlich beunruhigend. Und was verbindet den Fernseh- mit dem realen Staatsoberhaupt? Eines jedenfalls ist sicher: Wo immer der Präsident auftaucht, sorgt er für Unruhe. Das ist da so, und wird dort bleiben. Es wird heftig wahlgekämpft, getarnt, getäuscht, gelogen, betrogen, jeder kocht sein eigenes Süppchen, noch schändlicher als die Kandidaten treiben es die Wahlhelfer und Hintermänner. Je länger das Ganze dauert, umso mehr wünscht man sich die erste Frau an die Spitze der Vereinigten Staaten. Warum? Weil sie die geschicktere Psychologin ist und die bessere Haltung hat. Fürchtet euch.

Netflix US & Canada

Mittwoch, 31.5. – Am Abend aller Tage, ARD
Als Alphatier unter den rüstigen Rentnern hat sich Ernst Jacobi zuletzt im "Polizeiruf 110" mit Matthias Brandt einen Ruf erworben, in Dominik Grafs Kunstkrimi ist er als Besitzer der des verschollen geglaubten Gemäldes "Die Berufung der Salomé" des deutschen Expressionisten Ludwig Glaeden eine Art Objekt der Begierde. Graf inszeniert die Suche nach dem Bild als Puzzlejagd und Beziehungsdrama, in dem der Hauptrprotagonist (und wir) so manches über Raubkunst, Gier und Wucherungen der Kunstszene sowie über menschliche Abgründe und Obsessionen erfahren. Friedrich Mücke und Victoria Sardo.

Foto: BR/mementoFilm Berlin GmbH/Hendrik Heiden

Donnerstag, 1.6. – Manon 20 Jahre alt, 20.15 Uhr, Arte
Und noch einmal Arte: Was ist eine schwere Kindheit? Wenn man als Kind seine Mutter mit einem Messer angegriffen hat und vom Gericht in ein Erziehungsheim eingewiesen wurde? Wenn dem so ist, dann hatte Manon (Alba Gaïa Bellugi) eine schwere Kindheit. Aber das alles hat die 20-jährige Frau hinter sich gelassen. Sie hat sich "gefangen" – und fühlt sich auch ein bisschen so.

"Manon, 20 Jahre" ist die Fortsetzung von Jean-Xavier de Lestrades "Dreimal Manon" aus dem Jahr 2013. Fünf Jahre später hat sie eine Lehre als Automechanikerin absolviert. Weil der Chef "nur Jungs" haben will, setzt er sie als Empfangsdame ans Telefon. Darüber hinaus erwischt sie ihren Lover mit einer anderen. Willkommen in der Wirklichkeit, ma chère. Was macht Manon? Das was sie immer macht: Sie zuckt aus – und geht ihren Weg. Drei Folgen, nicht versäumen!

Die Trailer von ARTE

Trailer der Woche:
Eine der meist diskutierten Szenen der Fernsehgeschichte war jene, als sich Alexis Colby, vormals Carrington, später Dexter, später Rowan und Krystel Carrington, vormals Jennings eine denkwürdige Schlacht am Pool lieferten. Es flogen nicht nur die Fetzen, es wurde auch nass. Ähnliche Handgreiflichkeiten sind offenbar auch in der Fortsetzung zu erwarten, die CW für Herbst mit den neuen Folgen von "Dynasty" verspricht. Im besten Fall ist das fettiger Soap-Trash, im schlimmsten Fall spießige Ölschmiere.

TV Guide

Das war's. Schöne Woche, frohes Schauen! (prie, 25.5.2017)