Wien – In der österreichischen Studierendenvertretung wird es weiterhin eine linke Mehrheit geben. Laut dem Endergebnis der diesjährigen Wahlen der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) verlieren die Grünen Alternativen Studierenden (Gras) drei Mandate, der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) gewinnt vier Mandate.

Die Aktionsgemeinschaft (AG), die am Juridicum derzeit in einen Skandal rund um antisemitische und NS-verharmlosende Postings verwickelt ist, hat ein Mandat verloren. Die Flö und die Junos gewinnen jeweils ein Mandat dazu. Die Spaßfraktion No Ma'am zieht mit einem Mandat in das Studierendenparlament ein.

Die Wahlbeteiligung erreichte heuer einen neuen Tiefpunkt: Nur 24,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab – die niedrigste Beteiligung in der Geschichte der ÖH. Bei den vergangenen Wahlen im Mai 2015 traten noch 26 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen.

Als "klaren Auftrag" bezeichnete die Spitzenkandidatin des Verbandes Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), Hannah Lutz, das Ergebnis der ÖH-Wahl.

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Schaden durch Affären

Ob es wie bisher wieder eine linke Koalition geben wird, ließ Lutz offen, es erscheint aber wahrscheinlich. Lutz führt den Wahlgewinn darauf zurück, dass man beispielsweise mit der oft schlechten sozialen Lage vieler Studenten das richtige Thema angesprochen habe. Die historisch niedrige Wahlbeteiligung lasse sich mit den Vorkommnissen um die "halbe Spaltung" der Grünen und den AG-Skandal erklären. Das habe der gesamten ÖH Schaden zugefügt, so Lutz.

Erneut den ersten Platz, wenn auch mit einem Mandat Verlust, konnte die VP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) mit Spitzenkandidatin Silvia Grohmann einfahren. Im Videointerview nimmt sie zum Ergebnis, aber auch zu den noch ausständigen Rücktritten der in die Juridicum-Affäre verwickelten AG-Funktionäre Stellung.

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Für die Spitzenkandidatin der Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras), Marita Gasteiger, gilt es nun, die Gründe für das diesmal deutlich schwächere Abschneiden zu reflektieren. Dass es nun zwei grüne Listen gab, könnte die Wähler und Wählerinnen verwirrt haben, meint Gasteiger.

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Der Spitzenkandidat der Junos, Yannick Shetty, freut sich hingegen über das Ergebnis. Er strebe die Exekutive an, sagte Shetty, es gelte nun "konstruktiv mit der Regierung zu arbeiten".

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Felix Mayrbäurl vom Ring Freiheitlicher Studenten zeigte sich trotz des Haltens des Mandats und eines leichten Stimmenplus "sehr unzufrieden. Die großen Verlierer der Wahl sind die Studenten, die Wahlbeteiligung ist erneut eingebrochen", sagte Mayrbäurl, der den RFS "ganz klar in der Opposition" sieht.

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Für die Fachschaftslisten (Flö) und Spitzenkandidatin Johanna Zechmeister ist das Plus von einem Mandat ein Erfolg. Die Flö wolle weiter in der Exekutive arbeiten, aber nicht um jeden Preis.

Linke Koalition wahrscheinlich

Eine Neuauflage der linken Koalition aus Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS), Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und Fachschaftslisten (FLÖ) scheint am wahrscheinlichsten zu sein. Sie käme auf 29 der 55 Mandate in der Bundesvertretung, damit hätte die Koalition genauso viele Mandate wie in der letzten Periode.

Allerdings würden sich die Gewichte verschieben: Statt der GRAS (neun Mandate) wäre nun der VSStÖ (zwölf) darin die stärkste Fraktion, auch die FLÖ (acht Mandate) wurden gestärkt.

Es sind aber auch andere Optionen denkbar: Allerdings wird dadurch die Koalitionsbildung nicht einfacher, weil mit der VP-nahen AktionsGemeinschaft (15 Mandate) und dem VSStÖ selbst die beiden größten Fraktionen gemeinsam mit 27 Mandaten keine Mehrheit haben. Es ist also jedenfalls ein dritter Partner nötig.

Einzig andere von den Programmen her einigermaßen realistische Variante wäre eine Zusammenarbeit von AG, FLÖ und Jungen liberalen Studierenden (JUNOS). Diese Koalition käme auf 30 Sitze. Dafür müssten sich die FLÖ aber programmatisch stärker verbiegen – und wären auch selbst dann nur kleinerer Partner.

Juridicum bleibt in AG Hand

Auf dem Juridicum, auf der die Aktionsgemeinschaft aufgrund von sexistischen und antisemtischen Chat-Protokollen kritisiert wurde, konnte der VSStÖ in die beiden Studienvertretungen einziehen. In der Doktortatsvertretung kommen die roten Studierenden auf drei von fünf Mandaten. In der Studienvertretung Diplom auf zwei von fünf. Der jeweilige Rest (zwei bzw. drei Mandate) ging an die AG.

Durch die Beschickung der Fakultätsvertretung (FV) durch die Studienvertretungen dürfte die FV Jus jedoch trotzdem weiter in der Hand der AG bleiben. Neun der elf FV-Mandate werden von der Studienvertretung Diplom entsendet (die FV-Mandatare werden nicht von den Studierenden gewählt). Da hier die Mehrheit bei der AG liegt, könnte sie mit einfacher Mehrheit neun AG-Personen für die FV entsenden.

Die Doktoratsvertretung, wo die Mehrheit beim VSStÖ liegt, schickt nur zwei der elf Mandate in die FV. Diese dürften von roten Studierenden besetzt werden.

Mahrer schlägt E-Voting vor

Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) bezeichnete die geringe Wahlbeteiligung als "nicht erfreulich": Seiner Ansicht nach "muss man in Zeiten immer stärker werdender Digitalisierung überlegen, ob man neue Partizipationsmöglichkeiten und Technologien stärker nutzen sollte – Stichwort E-Voting".

Das Ergebnis im Überblick:

(red, APA, 19.5.2017)