"Mitgestalten kann nur gelingen, wenn den Mitarbeitern eine Vorstellung von dem vermittelt wird, was auf sie zukommt, womit sie zurechtkommen müssen und was sowohl ihre zukünftige Arbeit als auch ihr Arbeitsverhalten bestimmen wird", sagt Deutschland-Geschäftsführer der Münchner Coverdale-Unternehmensberatung Thomas Weegen.

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Franz Kühmayer vom Frankfurter Zukunftsinstitut sagt es schlankweg: "Roboter, Algorithmen und künstliche Intelligenz bestimmen den Diskurs über die Arbeitswelt von morgen. Vielen macht das Angst, das Schreckgespenst vom Jobverlust geht um. Längst sind Maschinen im Herzen der Erwerbstätigkeit angekommen: Mittelstand und auch Führungskräfte sind betroffen. Immer deutlicher wird uns bewusst, dass die Zukunft nicht so weit hergeholt ist, wie sie einmal war. Digitalisierung beendet nicht nur ein Kapitel Industriegeschichte, sondern auch ein Kapitel Sozialgeschichte."

Das Beraterhaus McKinsey präzisiert: "Das Digitale ist nicht irgendein Ding – es ist eine neue Art, Dinge zu tun. Viele Unternehmen bemühen sich um eine digitale Strategie. Stattdessen sollten sie sich vielmehr bemühen, das Digitale in alle Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit zu integrieren – von Vertriebskanälen, Prozessen und Daten bis zu Geschäftsmodellen, Incentives und zur Unternehmenskultur. Unsere Analyse der operativen Vorgehensweise von Unternehmen mit hohem Digitalquotienten zeigt, dass 90 Prozent der Top-Performer digitale Initiativen vollständig in ihren strategischen Planungsprozess integriert haben."

Nur ein Werkzeug

Professor Volker Gruhn, Inhaber des Lehrstuhls für Software-Engineering an der Universität Duisburg-Essen und Aufsichtsratsvorsitzender des Dortmunder IT-Dienstleisters und Softwareherstellers Adesso AG, legt die sich aus der Transformation ergebende betriebsinterne Problematik offen: "Aber wie immer ist Technologie nur ein Werkzeug, mit dem Menschen arbeiten. Diese Menschen müssen sich auf die neuen Möglichkeiten einlassen. Sie müssen verstehen, wo die Vorteile für die eigene Arbeit und für das Unternehmen liegen. Und sie müssen sich in einer Organisationsstruktur bewegen, die Kreativität erlaubt und Flexibilität bietet." Um dann mit einem knappen Satz den Kern der Problematik auf den Punkt zu bringen: "Denn die Voraussetzung für das Umdenken des ganzen Unternehmens ist das Umdenken jedes Einzelnen."

Und das beginnt für den Deutschland-Geschäftsführer der Münchner Coverdale-Unternehmensberatung Thomas Weegen mit intensiver Verständnisarbeit. Deren Schwerpunkt fasst er in vier Fragen zusammen:

1.) Verstehen alle Mitarbeiter den Unterschied zwischen Transformation und Change?

2.) Kennen sie die Symptome, die die Notwendigkeit einer Transformation ankündigen und an der Transformationsschwelle auftreten?

3.) Wissen sie, welche Verhaltens- und Vorgehensweisen den Sprung über die Transformationsschwelle und die Transformation fördern?

4.) Verstehen sie, wie vorhandene individuelle Stärken und Stärken des Unternehmens transformiert werden und für neue Kontexte verfügbar gemacht werden können?

Die Radikalität vor Augen führen

Stand Change für eine sukzessive, schrittweise Unternehmensentwicklung, steht Transformation nun für die galoppierende Verdrängung der gewohnten durch digitalisierte Arbeitsprozesse. Es geht um Disruption beziehungsweise disruptives Denken, das – aus dem Silicon Valley als dem Hotspot umwälzender Gedanken kommend – die Radikalität der notwendigen Bewusstseinsveränderungen im Begreifen, Verstehen und Handeln vor Augen führen soll.

Disruptives Denken versteht sich in seiner betonten Unbefangenheit und Unvoreingenommenheit als Gegenspieler des durch Voreingenommenheit Möglichkeiten ausblendenden Tunnelblicks, ist in seiner Wirkung einem permanent kreisenden Umfeldradar vergleichbar, wodurch sich wesentlich mehr Aspekte einer Thematik oder Problematik, einer anstehenden Entscheidung oder Zielsetzung erfassen lassen. Anliegen ist, "Sichteinschränkungen" im Denken gezielt zu überwinden.

Aus der Beraterperspektive betrachtet kommt die betriebliche Orientierung auf die Transformation hin für Weegen einer mentalen betrieblichen Neuerfindung gleich. Ein anderer Begriff dafür wäre für ihn auch "Metamorphose", die Wandlung in eine andere organisatorische Gestalt bei gleichzeitiger Wandlung in einen anderen mentalen Zustand. Das eine wie das andere, sagt er, verdeutliche "die Massivität und Tiefe der Bewusstseinsveränderung, die von den Belegschaften gleichzeitig verdaut und mitgestaltet werden muss."

Mitarbeitern eine Vorstellung vermitteln

Das parallel Notwendige dieses Prozesses rechtfertige den Begriff "industrielle Revolution" – hinter dem sich für ihn auch noch eine weitere durch die Digitalisierung angestoßene Revolution verbirgt: die Rasanz, mit der neue Player den direkten Kundenzugang über Internetplattformen besetzen.

Aber Verdauen und Mitgestalten kann, argumentiert Weegen, "nur gelingen, wenn den Mitarbeitern eine Vorstellung von dem vermittelt wird, was auf sie zukommt, womit sie zurechtkommen müssen und was sowohl ihre zukünftige Arbeit als auch ihr Arbeitsverhalten bestimmen wird. Die Qualität dieses Bemühens entscheidet darüber, ob ein Unternehmen ein fußkranker oder ein behänder Transformist wird, ob es sich im Hinterherhinken erschöpft oder im Vorausgehen laufend flexibel kreativ-innovativ erneuert. Die Sorgfalt und Achtsamkeit, die in dieses Bemühen investiert wird, ist der Treibstoff für den Transformationsmotor."

Ganzheitlicher Wille entscheidend

Ohne mentale Stärke, ohne den ganzheitlichen betrieblichen Willen, sich mit überzeugender Handlungsfähigkeit kraftvoll auf die sich laufend verändernden wirtschaftlichen Umweltbedingungen zu fokussieren, sei der Traum vom Champion – das zeige der Leistungssport in all seinen Spielarten – nur eine Illusion. Anthony Joshua, Klitschko-Bezwinger in dem am 29. April von beiden Seiten mit einer enormen mentalen Willensleistung geführten Boxkampf, bestätigt Weegens Einschätzung. "Der Unterschied zwischen Topathlet und Superstar spielt sich oberhalb des Halses ab. Deshalb arbeite ich hart an meiner mentalen Stärke." (Hartmut Volk, 22.5.2017)