Wie sieht die digitalisierte Rechtsbranche aus? In Österreich wird das unter anderem in der Plattform "Future Law" diskutiert. Wer in Zukunft mitgestalten wolle, müsse sich Gedanken über die Kanzlei bzw. Rechtsabteilung der Zukunft machen, sagt Initiatorin Sophie Martinetz.

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Noch immer fällt bei Diskussionen um Digitalisierung und die Zukunft bestimmter Branchen meist die Frage, ob es den Beruf XY denn in 20 Jahren überhaupt noch gebe. Nach anfänglichen Negativszenarien, wonach bis zu 50 Prozent der Jobs wegautomatisiert werden könnten, sind die Prognosen mittlerweile weniger schwarz-weiß.

Austausch in Österreich

Das gelte auch für die Juristerei, sagt Sophie Martinetz, Geschäftsführerin von Seinfeld Professionals. Weil sich durch neue Variablen aber von Ausbildung über Arbeitsalltag bis Pricing oder Personalfragen ziemlich viel ändern werde, hat sie die Plattform Future Law gegründet. Dabei gehe es Martinetz einerseits darum, über aktuelle Trends und Entwicklungen zu informieren, andererseits würden die Treffen zu bestimmten Themen hilfreichen Austausch und Dialog ermöglichen. "Für viele ist das Thema noch relativ neu, obwohl ja bereits einige Arbeitsschritte digitalisiert wurden." Martinetz nennt hier etwa Softwares zur Spracherkennung. "Früher saßen da noch zwölf Damen oder Herren in jeder Kanzlei und haben stundenlang abgetippt." Da gehe allerdings noch einiges: "Die ganze Welt bewegt sich in diese Richtung. Da kann man sich nicht rausnehmen, und die Betroffenen wissen das. Die sind ja nicht naiv."

Selbstversuch gegen den Supercomputer

Was alles möglich ist, zeigen bereits mehrere Start-ups und Softwares. Die bekannteste darunter heißt Ross und speist sich aus dem Supercomputer Watson von IBM. Ross spuckt unter anderem in nur wenigen Stunden vergleichbare Fälle aus, die bei der Recherche hilfreich sind. Ein der Technologie skeptisch gegenüberstehender Anwalt suchte die Herausforderung. Selbst brauchte er zehn Stunden, um passendes Material aus mehreren Datenbanken zu finden. Ross benötigte nur wenige Minuten. "Das ist beängstigend. Wenn die Software noch besser wird, könnten sehr viele Menschen ihre Jobs verlieren", sagte der Anwalt der New York Times.

Den massiven Jobverlust sieht Martinetz nicht kommen. Allerdings müsse man sich jetzt Gedanken darüber machen, wie man seine Organisation in Zukunft aufstellt, wer welche Aufgaben übernimmt, und natürlich auch, wie diese Leute bezahlt werden. Denn der Kostenfaktor spiele eine immense Rolle. "Gerade in den letzten zehn Jahren hat die Kostensensitivität enorm zugenommen. Die goldenen Zeiten sind vorbei. Das spüren die Kanzleien."

Welche Jobs gefährdet sind

Wenn eine Software eine Aufgabe also viel effizienter bewältigen kann, dann müsse man sich überlegen, was der betroffene Mensch stattdessen erledigen kann. Treffen werde dies vor allem die Bereiche Brandname-Services und Commodity-Services, für die juristische Mitarbeiter, Assistenten oder Rechtsanwaltsanwärter zuständig seien. Softwares zur Erstellung und Analyse von Dokumenten – standardisierte Verfahren – werden solche Aufgaben abnehmen. Deswegen verweist Martinetz auch auf die Ausbildung und die Frage, was diese Leute in Zukunft können müssen, um diese neuen Technologien einerseits einsetzen und andererseits ergänzen zu können.

Das hört sich alles nach noch stärkerem Konkurrenzdruck und einem gegenseitigen Unterbieten an. Aber auch hier plädiert Martinetz dafür, die Entwicklungen positiv zu sehen: Expertise, Erfahrung, eine gute Betreuung – all diese Dinge würden in Zukunft noch wichtiger werden. Denn wenn Unternehmen bald zunehmend Dokumente – durch Softwares – selbst erstellen oder überprüfen, werde die Beratung für komplexere Fälle umso wichtiger.

Auch für kleinere Kanzleien bedeute die digitalisierte Zukunft per se nichts Negatives – wer sich engagiere und die Chancen nütze, völlig neue Märkte zu erreichen, habe auch in Zukunft genug zu tun, glaubt Martinetz. Nur verschlafen dürfe man nicht. (lhag, 2.6.2017)