Den Voguing-Tanz der New Yorker 1960er-Jahre mit Klangschalen neu beleben: Wendell Cooper alias Mx. Oops bei seiner Schamanen-Catwalk-Schau im "House of Realness" im Performeum.

Foto: Ian Douglas

Wien – Jetzt geht's erst richtig los bei den Festwochen, denn seit Donnerstag ist das Performeum in den Hallen des einstigen Depots einer steirischen Brauerei in der Laxenburger Straße zugänglich. Da pulsiert bis Mitte Juni das Favoritener Herz des Festivals: zugleich als Präsentationsort für Performances und einen Teil der Ausstellung Conundrum of Imagination, als Basis für die "Akademie des Verlernens" inklusive Diskurs-Hamam und auch als neues Festivalzentrum.

Die Depothallen, heute im Besitz der ÖBB, können laut Festwochenintendant Tomas Zierhofer-Kin noch bis 2019 genutzt werden. Historisch soll das Performeum ein Rückgriff auf Ulrich Baumgartners und Wolfgang Lesowskys Festwochen-Arena der 1970er-Jahre sein, die zwischen 20er-Haus und St. Marxer Schlachthof für frischen Wind gesorgt hat.

Im Unterschied zu damals rangiert heute das Eingemachte der sozialen Themen eher im hinteren Mittelfeld. Vielmehr will sich's die erstarkende Bewegung des Postkolonialismus aussuchen, wer zu ihren deklassierten "Subalternen" gehören darf. Das hat mit "Identität" zu tun, ist mit Geschlecht, kultureller Herkunft oder Lebensstil verbunden und zielt auf die Migrationsbewegungen der Gegenwart.

Afrikanischer Ritualraum

Beim Auftakt des Performeums spannte sich der Bogen zwischen den Live-Acts der Südafrikanerin Dineo Seshee Bopape auf der einen und in dem von Ben Pryor aus New York kuratierten "House of Realness" auf der anderen Seite. Bopape ließ zwei afrikanische Frauen in ihrer Installation ... struggle of memory against forgetting ... auftreten. Sie verwandelten diese Arbeit für eine halbe Stunde symbolisch in einen afrikanischen Lebens- und Ritualraum: tanzend, Räucherwerk verbrennend und von kleinen Holztäfelchen lesend, auf welchen Ereignisse des afrikanischen Widerstands gegen die historische Kolonisierung durch die Europäer eingebrannt sind.

Eine schlichte, konzentrierte Performance, die auf das fortwährende Leiden von Afrikanern unter den Folgen des alten und dem Einfluss des neuen Kolonialismus verwies. Fazit: Wenn die Europäer mit der Gegenwart und Zukunft fertig werden wollen, müssen sie verstehen, dass die "Eroberungen" ihrer Vorfahren und die Ausbeutung von Ressourcen ihrer Zeitgenossen nicht Großleistungen, sondern brutale Verbrechen waren und sind.

Was aus den USA kommt, ist im Ansatz ebenfalls eine Konsequenz des Kolonialismus. Die dunstige, von Diego Montoya und Michelle Sutherland opulent farbenprächtig und schwül-weich gestaltete Halle des "House of Realness" bezieht sich offenbar auf die "Houses" der Ball-Culture der queeren Schwarzen- und Latino-Szene im New Yorker Stadtteil Harlem ab den 1960er-Jahren. In diese Welt hat das Wiener Publikum bereits vor einigen Jahren der US-Choreograf Trajal Harrell bei Impulstanz eingeführt.

Der Szene macht der Voguing-Tanz auch nach fünfzig Jahren noch Spaß. So veranstaltete etwa Wendell Cooper alias Mx. Oops mit Slim Ninja eine sich schnell abnutzende Schamanen-Catwalk-Schau mit Mummenschanz, Stöckelschuh, Gong und Klangschalen. Ein Konzert von Justin Vivian Bond hatte mehr zu bieten, obwohl es unter dem realitätsvergessenen Motto "Glamour ist Widerstand" ablief.

Widerstand ist auch Anliegen einer "Anti-Fascist Ballet School" der Wienerinnen Magdalena Chowaniec und Elizabeth Ward, die bereits im Vorjahr das Programm der Wienwoche zierte. Dieser Workshop sollte in der Lugner-City beginnen, wurde aber von dort verdrängt, musste in den nahegelegenen Park ausweichen, und es brauchte am Donnerstag einige Hartnäckigkeit, ihn dort zu finden. Der offene Kurs ist eine friedliche und freundliche Erfahrung für alle, die sanfte Ballettgefühle entwickeln wollen, mit ein wenig zurechtmassierter Theorie und ein bisserl Esoterik. Wahrscheinlich ist das gut gegen innere Blockaden. (Helmut Ploebst, 19.5.2017)