Monika Piorkowska bringt soziale Außenseiter auf Leuchtkästen. Dieser homosexuelle Tänzer hadert nach einem Unfall mit Gott.

Foto: Piorkowska

Im Februar dieses Jahres streckte sich der lange Arm der rechtskonservativen Regierung Polens bis nach Österreich. Und wie so oft, wenn es um die Meinungsfreiheit nicht zum Besten steht, traf es eine Künstlerin. Die in Wien lebende Polin Monika Piorkowska hätte im Polnischen Institut, der kulturdiplomatischen Vertretung des Landes, einige ihrer Werke ausstellen sollen. Doch dazu kam es nicht.

Genderthematik, Nacktheit und Bezugnahmen auf die politische Situation in Polen, die "mittels Anspielungen als kritische Hommage an die Heimat gestreift" würde, wie es vorsichtig formuliert im Kuratorentext hieß, waren dem Institut zu brisant. Direktor Rafal Sobczak sagte die Schau ab. Man sei "kein Ort, dessen Aufgabe es ist, politische Stellungnahmen zum Status quo der Politik zu ventilieren", so die Begründung.

Die Reaktionen in Österreich waren einhellig: Politik und Kulturschaffende machten deutlich, derartige zensurähnliche Vorfälle nicht dulden zu wollen und boten Hilfe bei der Suche nach einem Ausweichort an. In polnischen Medien sah sich Piorkowska hingegen einem Shitstorm ausgesetzt, wurde als "Landesverräterin" und "Spionin" beschimpft.

Politische Fehldeutung

Das Kulturinstitut dürfte eine geplante Aktion, bei der auf den Populismus der Regierung angespielt werden sollte, wegen des Einsatzes polnischer Flaggen zunächst für einen patriotischen Akt gehalten haben. Die ironisch-kritische Stoßrichtung sei dem Institutsleiter erst später bewusst geworden. "Das hat mir auch gezeigt, wie leicht man politisch falsch verstanden werden kann", erzählt Piorkowska dem STANDARD.

Zweideutig, aber sicher nicht missverständlich, sind die zusätzlichen Werke, mit denen die Künstlerin die abgesagte Ausstellung nun in der Galerie Steinek nachholen kann. 800 Seifenstücke mit der Prägung "Liquid Democracy" hat sie dort am Eingang zu einer Welle aufgetürmt. Ein Video zeigt, wie Piorkowska auch dem polnischen Regierungschef Jaroslaw Kaczynski ein solches Stück per Post schickt.

An das IT-gestützte Konzept der "Liquid Democracy", mit dem Piratenparteien direktdemokratisch Entscheidungen fällen, habe Piorkowska gar nicht gedacht, wenngleich sie sich mit der Assoziation anfreunden könne, wie sie sagt. Jedenfalls gehe es ihr aber auch darum, zu zeigen, wie schnell sich Demokratie verflüchtigen oder, im Bild der Seife gesprochen, auflösen kann.

In einer anderen Installation konfrontiert die Künstlerin den Betrachter mit seinem Spiegelbild, vor das sie einen gläsernen Stacheldraht gespannt hat. Angespielt werden soll auf jene unsichtbaren Miss- und Widerstände, mit denen "man" (und noch viel mehr "frau") auch in westlich-liberalen Gesellschaften zu kämpfen hat.

Homosexualität als Tabu

Für das Ungemach mit dem Polnischen Institut hatte Piorkowskas Werkzyklus Time Gates gesorgt: schwenkbare und beleuchtete Glaskästen, die sie mit am Computer bearbeiteten Fotografien von Menschen in sozial bzw. psychisch prekären Lebenssituationen bedruckte. Ein Stein des Anstoßes war etwa die Darstellung eines homosexuellen Tänzers, der nach einem Unfall nicht mehr arbeiten kann und seine Wunden am Rücken mit Tätowierungen überdeckte.

Da der streng gläubige Tänzer seinen Unfall als Strafe Gottes für seine Sexualität empfindet, hätten rechtskonservative Kritiker Piorkowskas sich wohl nicht weiter empören müssen. Doch allein der hergestellte Konnex zwischen Religion und Homosexualität habe laut Piorkowska gereicht, um sie der "Blasphemie" zu bezichtigen. Die Rolle der Kirche im heutigen Polen findet die Künstlerin "paradox": "In den Jahren der Wende war sie eine progressive Kraft, heute aber pusht sie Rechtsradikale." Sorgen bereitet Piorkowska, dass vor allem junge Menschen dafür empfänglich seien. (Stefan Weiss, 24.5.2017)