"Allegro non troppo, ma con brio" – nicht zu rasch, aber mit Feuer respektive mit Lebhaftigkeit: Diese komplexe Forderung formuliert der Finalsatz von Johannes Brahms’ 1. Symphonie, und leicht einzulösen ist sie nicht. Um den Beweis dafür zu erbringen, hätte es nicht des seinerzeitigen Shooting-Stars Daniel Harding bedurft, doch gelang es dem Chefdirigenten des Schwedischen Radiosymphonieorchesters, zwar ein gemäßigtes Tempo zu erzielen, dafür aber jeden Anschein eines kleinen Flämmleins zu vermeiden.

Eine ähnliche Problemlage zog sich durch das gesamte Stück: Zwar wurde es über weite Strecken mit viel Augenmerk für ausgewogenen Klang realisiert, doch kam das Orchester kaum über den Eindruck hinaus, Dienst nach Vorschrift zu tun: Die Symphonie lief weitgehend unfallfrei und größtenteils recht behäbig ab, wirkte mehr nach bemühtem Buchstabieren als nach einer sinnerfassenden Lesart. So standen ihre brav absolvierten Abschnitte hilflos nebeneinander, und auch diesbezüglich war der vierte Satz zweifellos der Höhepunkt: Wo Brahms das Tempo dramatisch drosselt und wieder steigert, wurde dies zwar halbwegs ausgeführt. Zum Fließen kam die Musik nicht.

Technisches Funktionieren

Ganz ähnlich waren die Defizite beim eingangs gespielten Rituel in memoriam Bruno Maderna von Pierre Boulez, dem das Konzerthaus im Rahmen des Musikfestes derzeit einen Schwerpunkt widmet. Nach einer klugen, instruktiv orientierten und dabei sparsamen Einführung von Wolfgang Schaufler absolvierte das Orchester das heikle Zusammenspiel respektabel – eindrücklich sorgte Harding für technisches Funktionieren. Ästhetisch jedoch fehlte jene Sogwirkung, die das Werk sonst auszeichnet und die ausreichend klangliche Präsenz quer durch den Raum erfordert. Vieles verpuffte.

Feuer und Präsenz waren somit weitgehend dem Geiger Joshua Bell vorbehalten, der zwischendurch als Solist bei Poème von Ernest Chausson sowie Tzigane von Maurice Ravel Individualität für zwei verströmte: Wie Harding liebt Bell die große Geste, nur deckte sich bei ihm der Input mit der Wirkung. Von seiner Spontaneität ließ sich auch das Orchester ein wenig anstecken. (daen, 19.5.2017)