Die Personalentscheidungen bei den Grünen wirken, als hätten sie diesen Wahlkampf schon aufgegeben, noch ehe dieser begonnen hat. Mit Ulrike Lunacek hat der erweiterte Bundesvorstand eine Spitzenkandidatin auserwählt, die nichts zu verlieren hat. Sie sitzt im EU-Parlament und kann sich nach einem allfälligen Stimmenverlust wieder nach Brüssel und Straßburg zurückziehen.

In Wahrheit ist die 59-Jährige Platzhalterin für Ingrid Felipe, die durch eine mögliche Niederlage nicht beschädigt werden soll und im nächsten Jahr noch die Landtagswahlen in ihrer Heimat Tirol bestreiten will. Felipe ist ein Signal für einen Generationswechsel, ihr obliegt dann eine Neuaufstellung der Partei, die Zeit braucht. Der Streit mit der Parteijugend und die angeschlagene Glaubwürdigkeit wegen des Hochhausprojekts am Heumarkt in Wien wirken nach und können nur für die Dauer eines kurzen Wahlkampfes beiseitegeschoben werden.

Insofern ist die Ämtertrennung eine nachvollziehbare, zukunftsgerichtete Entscheidung, auch wenn die Grünen damit den einzigen Rat, den ihnen Eva Glawischnig bei ihrem Abschied mit auf den Weg gegeben hat, in den Wind schlagen. Gelingt den Grünen ein Stimmenzuwachs, wird auch Felipe davon profitieren. Im Falle einer Niederlage wird Lunacek die Verantwortung übernehmen.

Schwierige Ausgangslage

Lunacek ist keine Person, der man einen mitreißenden Wahlkampf zutraut. Auch wenn sie als einzige Frau ins Rennen geht und sich dem Wettrennen um die heftigsten Untergriffe sicher nicht anschließen wird: Mit ihr als Spitzenkandidatin laufen die Grünen erst recht Gefahr, kaum aufzufallen. Die Ausgangslage ist ohnehin schwierig, weil sich die Aufmerksamkeit auf den Dreikampf Christian Kern, Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache richten wird – falls dieser nicht auch noch durch Norbert Hofer ersetzt wird (was auch erst nach der Wahl passieren kann).

Vor allem SPÖ-Chef Kern wird alles daransetzen, Stimmen von denjenigen aus dem links-grünen Lager zu bekommen, die vor allem Strache und Schwarz-Blau verhindern wollen. Wie das geht, hat Michael Häupl im Wahlkampf in Wien gezeigt, als er erfolgreich seine Er-oder-ich-Kampagne durchgezogen hat – auch zulasten des grünen Koalitionspartners.

Positionierung als linke Partei

Erste Aussagen Lunaceks zeigen, dass die Grünen potenzielle Wähler der SPÖ nicht kampflos überlassen, sondern sich bewusst als linke Partei positionieren wollen. Sie wollen damit jene ansprechen, die Kerns Kurs in der Sicherheits- und Migrationspolitik nicht goutieren. Er hat hier eine deutliche Verschiebung nach rechts vorgenommen, wodurch links im Parteienspektrum Platz frei geworden ist.

Die Grünen haben in diesem Wahlkampf nur eine Chance, wenn sie sich inhaltlich als Alternative positionieren können. Lunacek ist eine kluge, kompetente Frau mit außenpolitischer Erfahrung. Sie verkörpert eine proeuropäische Haltung, mit der sich die Grünen von allen anderen Parteien unterscheiden können.

Dazu müssen sie aber ein Programm entwickeln, das über grüne Kernthemen wie Radfahrerfreundlichkeit und Gendergerechtigkeit hinausgeht und sich nicht darauf konzentriert, alles Mögliche verbieten oder vorschreiben zu wollen. In den Bundesländern betreiben ihre Vertreter eine pragmatische Politik – auch in der Sozialpolitik. Auf Bundesebene weiß man zu wenig, wofür die Grünen eigentlich stehen. (Alexandra Föderl-Schmid, 19.5.2017)