Das Epstein-Barr-Virus, ein Erreger aus der Familie der Herpesviren, dürfte im Zusammenhang mit einigen Autoimmunerkrankungen wie multipler Sklerose stehen.

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Wien – Der Mensch ist ja nie ganz alleine. Auf und in ihm herrschen geradezu paradiesische Bedingungen für Bakterien und Viren. Schätzungen zufolge haben wir es mit 1014 Bakterien und mit 1015 Viren zu tun. Zum Vergleich: Ein erwachsener Mensch hat etwas 1013 Zellen.

Aber niemand muss sich fürchten: Bakterien und Viren sind nicht zwingend krankheitserregend. Von den Bakterien im Darm weiß man, dass sie sogar positiven Einfluss auf die körperliche und geistige Gesundheit nehmen können. Die Gesamtheit der Viren, auch Virom genannt, ist bei weitem noch nicht so gut erforscht.

Vor etwa drei Jahren haben Forscher von der Washington University School of Medicine in St. Louis nur fünf Körperstellen von etwa 100 Testpersonen untersucht und im Durchschnitt 5,5 Viren entdeckt. Der Schluss liegt nahe, dass auch in anderen Regionen des menschlichen Körpers zahlreiche Viren zu finden sind. Fakt ist: Jeder Mensch trägt im Blut "latente" Erreger in sich.

Große Vielfalt an Viren

Ein Forscherteam der Med-Uni Wien, das sich seit etwa drei Jahren mit dem menschlichen Virom beschäftigt, hat kürzlich eine große Vielfalt an Viren entdeckt, wo man sie nicht vermutet hätte. "Wir entdeckten eine immense Zahl bisher unbeschriebener Viren sowohl in Rachenspülflüssigkeit als auch im Urin von völlig gesunden Probanden", sagt Jakob Thannesberger, Doktoratsstudent an der Med-Uni Wien beim Virologen Christoph Steininger und Erstautor der Studie, die im Fachmagazin "FASEB Journal" erschienen ist.

Die Forscher konnten unter anderem mehrere Stämme von Herpesviren nachweisen, die Gürtelrose, Fieberblasen oder Herpes genitalis auslösen können, aber nicht müssen. Sie haben aber auch allerlei Überraschungen erlebt: "Wir haben schon damit gerechnet, einige unbekannte Viren zu finden. Dass diese aber die Zahl der bisher beschriebenen Viren weit überschreitet, das hatten wir uns nicht gedacht," sagt Thannesberger.

In der Hauptsache haben die Forscher Bakteriophagen gefunden, Viren also, die nur Bakterien befallen. Diese rückten in jüngster Zeit in das Interesse der Wissenschaft, da man vermutet, dass sie als Behandlungsalternative bei Antibiotikaresistenzen verwendet werden können. Man vermutet, dass sie im menschlichen Körper die Rolle der Hirten über die "Bakterienherde" einnehmen. Jakob Thannesberger: "Schon allein deshalb ist das Virom nicht etwas von vornherein Negatives."

Völlig neue Methode

Für seine Forschungen hat Thannesberger eine völlig neue Methode entwickelt. Sie nennt sich VIPEP (Viral Isolation Purification and Enrichment Protocol) und wurde bereits zum Patent angemeldet. Damit kann man in Zellkulturen und klinischen Proben von Patienten das Virom genauer als bisher bestimmen. Die Erreger werden dabei von umgebendem Gewebe, Zellen und DNA getrennt, womit sie näher bestimmt werden können. So lassen sich auch bisher unbekannte Viren identifizieren.

Da Viren, sowohl was ihre Gestalt als auch was ihre Erbinformation betrifft, sehr wenige Gemeinsamkeiten aufweisen, wird vermutet, dass die bekannten Virenspezies nur die Spitze des Eisberges sind.

Forscher sprechen in diesem Zusammenhang auch von der "viralen dunklen Materie": eine Herausforderung für jeden Infektiologen, denn diese Unbekannte kann einen großen Einfluss auf die menschliche Gesundheit ausüben.

Thannesberger, der etwa ein Jahr vor dem Abschluss in Medizin steht, hofft, dass die Forschung mit dieser Methode dazu beiträgt, unser Wissen über den Einfluss von Viren auf eine neue Ebene zu heben – und dadurch auch den Weg für neue Behandlungskonzepte ebnen wird.

Für seine Arbeit wurde ihm nun der Österreichische Hygiene-Preis verliehen, der von der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin gemeinsam mit dem Weltkonzern Unilever vergeben wird. (Peter Illetschko, 21.5.2017)