Es fliegt, es fliegt, es fliegt: Hier tut es das englische Team Land Rover Bar auf ihrem Katamaran. Jede Crew besteht aus sechs Mitgliedern.

Foto: Harry KH / Land Rover Bar

Hinter dieser berühmten Kanne sind Superreiche seit 166 Jahren her, und das immer schneller.

Foto: Louis Vuitton / Julien Oppenheim

Ob das noch Segeln ist? Oder doch Fliegen? Oder einfach nur verrückt? Die Meinungen gehen auseinander. Während die einen begeistert über die Entwicklungen in der Königsklasse des Segelsports sind, schütteln die anderen den Kopf ob der 15 Meter langen Hightech-Katamarane, die mit bis zu 100 km/h übers Wasser fetzen, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her.

Lange schon sprach man im Zusammenhang mit dem America's Cup, der nun zum 35. Mal von 26. Mai bis 27. Juni vor Bermuda ausgetragen wird, von der Formel 1 des Segelns. Jetzt ist der Cup endgültig dort angekommen oder hat die Formel 1 in Sachen Spektakel sogar überholt, denn die Elemente Wasser und Wind haben einiges mehr zu bieten, als im Kreis zu fahren (Motorsportfreunde mögen die Formulierung verzeihen).

Die aero- und hydrodynamischen Rennsegler aus kohlefaserverstärkten Kunststoffen sind Extremleistungen des Designs. Die Designabteilungen beschäftigen bis zu 50 Spezialisten, die sich um Technik, Strukturanalysen oder Computersimulationen kümmern. An die 200 Sensoren messen während der Trainingsfahrten verschiedenste Daten, um daraus Anpassungen für Konstruktion und Trimm vorzunehmen. Allein das Budget der Briten wird auf über 120 Millionen Euro geschätzt. Das nennt man eine Segelpartie.

Feuchter Traum

Insgesamt sind es fünf Teams aus Japan, Schweden, Frankreich, Großbritannien und Neuseeland, die dem Titelverteidiger, dem Team Oracle USA im Besitz des Milliardärs Larry Ellison, den Pokal abjagen wollen. (Eine große Kanne, die, so erwürdig ihre Strahlkraft in der Welt des Segelns auch ist, "The auld mug" genannt wird.) Bis spätestens 12. Juni sollte der Herausforderer klar sein, so lange dauert der Vorbewerb namens "Louis Vuitton America's Cup Challengers Playoffs" (früher "Louis Vuitton Cup"). Ab 17. Juni geht's dann um die Wurst im Duell gegen Titelverteidiger Team Oracle.

Das Land Rover Bar Team
Foto: Harry KH

Alle Teams gehen auf Segelmaschinen an den Start, die an Grenzen gehen, die noch vor zehn Jahren der feuchte Traum eines jeden Renningenieurs waren. Auch wenn es dick aufgetragen klingt: Diese Boote sind keine Boote, sondern kommen eher wie kaum zu bändigende zweirumpfige Bestien daher, die gleich einem Höllenritt durchs Wasser schneiden und immer wieder abheben, während die Segler auf den Katamaranen wie flinke Ameisen herumtänzeln und den Eindruck erwecken, als wären auch sie vor Muffensausen nicht gefeit. 2013, als der Cup zum letzten Mal ausgetragen wurde, forderte das Event in der Bucht von San Francisco sein erstes Todesopfer.

Das französische Team Groupama
Foto: Groupama

Von ihrem Äußeren her erinnern die Segler an Gladiatoren des 21. Jahrhunderts, sie sind durchtrainierte Hochleistungssportler in Hightech-Outfits samt Sturzhelmen, Kraftlackl, mit denen der gemeine Sonntagssegler so viel gemein hat wie ein Mailüfterl mit einem Taifun. Bis zu 15 Stunden pro Woche verbringen die Segler in der Kraftkammer.

Spielplatz der Superreichen

Der America's Cup geht auf das Jahr 1851 zurück und war schon immer ein Spielplatz der Superlative – und Superreichen. Angefangen hat alles am 22. August desselben Jahres. An diesem Tag traf die englische Mannschaft vor der britischen Isle of Wight auf das US-Schiff America, die das Rennen gewann, daher auch der Name "America's Cup". 1899 begann die Ära von Sir Thomas Lipton (ja, der mit dem Tee), der bis 1930 fünfmal versuchte, den Amerikanern den Wanderpokal, übrigens die älteste Sporttrophäe der Welt, wieder abzuluchsen, was ihm den Titel des "besten Verlierers aller Zeiten" einbrachte. Die damals segelnden Yachten waren an Eleganz und Anmut kaum zu überbieten, nicht selten wurden sie Kathedralen der Meere genannt. Liptons Shamrock V war 36 Meter lang, ihre Segel brachten es auf eine Fläche von 700 Quadratmetern.

Emirates Team Neuseeland
Foto: Hamish Hooper

Lipton ist auch der Vorfahr der hyperehrgeizigen Superbonzen, die bis heute Unsummen in ihre Teams steckten, allen voran der siebentreichste Mensch und als Ungustl geltende Larry Ellison. Das japanische Team wird von Masayoshi Son finanziert, immerhin der zweitreichste Japaner. Ellison, er gewann den Cup erstmals im Jahre 2010, er war es auch, der den Übergang von nahezu klassischen Einrumpfyachten zu den fliegenden Hightech-Pfitschipfeilen durchgeboxt hat.

Das Abheben der Rennziegen wird durch das sogenannte Foiling ermöglicht, dieses funktioniert über eine Art Flügel, die wie Schwerter unter Wasser an den Booten angebracht sind. Ab einer gewissen Geschwindigkeit heben diese das Boot aus dem Wasser und ermöglichen doppelte Windgeschwindigkeit. Das Ganze ist durchaus mit einem Flugzeug zu vergleichen, mit dem Unterschied, dass diese Flügel Wasser statt Luft benötigen. Ob das alles nun noch Segeln oder Fliegen heißt oder verrückt ist: Ellison und Co ist das egal. Hauptsache, einer von ihnen darf die alte Kanne mit nach Hause nehmen. (Michael Hausenblas, RONDO, 26.5.2017)