Wien – Die Tageszeitung "Österreich" hat mit der Veröffentlichung von Fotos einer Verstorbenen gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse verstoßen. Das hat der Presserat in einer aktuellen Entscheidung befunden, wie am Dienstag mitgeteilt wurde. Es ist dies die erste Entscheidung gegen "Österreich", seit die Zeitung die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt hat.

Die Zeitung hatte Mitte März über eine einbetonierte Leiche berichtet, die im Keller eines Hauses gefunden wurde. Der Hausbesitzer wurde dem Bericht zufolge in U-Haft genommen, behauptete aber, die Frau tot im Haus aufgefunden und aus Panik einbetoniert zu haben. Auf der Titelseite und beim Artikel selbst druckte die Zeitung ein unverpixeltes Foto der Verstorbenen ab.

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass "die Frau wahrscheinlich nicht ermordet wurde", schreibt der Presserat. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Berichtes allerdings erschien ein Gewaltverbrechen wahrscheinlich – und daher würden für die Verstorbene die Grundsätze des Opferschutzes gelten. Der "Österreich"-Anwalt verwies auf "eine schwerwiegende Straftat und ein aufsehenerregendes Ermittlungsverfahren", berichtete der Presserat aus dem Verfahren, es habe "ein überwiegendes öffentliches Interesse" gegeben und auch andere Medien hätten den Fall aufgegriffen.

Persönlichkeitsschutz

Das räumte auch der Presserat ein: "Berichte über Mordfälle und die Ermittlungen dazu sind grundsätzlich von öffentlichem Interesse. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass andere österreichische Medien ebenfalls ausführlich über den konkreten Fall berichteten." Den Persönlichkeitsschutz des Opfers zu missachten, rechtfertige dies aber nicht. "Bei keinem der Berichte in anderen Medien wurden unverpixelte Fotos der Verstorbenen veröffentlicht. Die Identität des Opfers hätte nicht preisgegeben werden dürfen", zumal das "vermeintliche Mordopfer" nicht im öffentlichen Leben gestanden sei – und die Fotos vom Täter mit einem "schwarzen Balken" unkenntlich gemacht wurden.

"Österreich" habe somit gegen den Punkt 5 im Ehrenkodex für die österreichische Presse verstoßen und wird aufgefordert, diese Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen. Dass man Sprüche des Presserats abdrucken werde, hatte Herausgeber Wolfgang Fellner anlässlich der Selbstverpflichtung zum Ehrenkodex angekündigt. Das Verfahren wurde aufgrund einer Leserbeschwerde eingeleitet. (APA, 23.5.2017)