Archetypische Figuren wie aus einem Märchen: Rooney Mara, Michael Fassbender und Ryan Gosling in einer Ménage-à-trois in Terrence Malicks "Song to Song".

Foto: Studiocanal

Ein wenig ergeht es Terrence Malick wie dem Glücklichen, der sein Glück mit anderen nicht mehr teilen kann: Seit der digitalen Wende im Kino ist es dem Einzelgänger unter den US-Regisseuren zwar gelungen, seinem totalen Kino der Sinnlichkeit mit schöner Regelmäßigkeit eine Form zu verleihen. Doch bei Teilen des Publikums und auch nicht wenigen Kritikern macht sich ein Gefühl von Überdruss breit. Das liegt wohl auch daran, dass seine Suche nach der Wahrheit einer Empfindung etwas unzeitgemäß erscheint.

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Song to Song wird dahingehend keine Wende einläuten, da er mit seinen beiden Vorgängern To the Wonder und Knight of Cups viel gemeinsam hat. Man kann sie sogar als Trilogie betrachten. Knight of Cups war Malicks Variante eines Inside-Hollywood-Films, der einen Autor durch das Inferno einer Welt der Fassaden und Exzesse schickte. Song to Song befasst sich nun mit der Musikerszene; gedreht wurde in Austin, Texas, mitunter im Backstagebereich lokaler Bands. Obwohl Punkveteran Iggy Pop, Lykke Li und Patti Smith in Cameos auftreten (und Letztere auch einen geglückten Alternative Lifestyle verkörpert), ist es kein Film über das Versprechen von Musik. Vielmehr taucht Malick in dieses Milieu nur ein, um eine Fabel von Versuchung, Verzückung, Verirrung und Vergebung zu inszenieren.

Kein Traumland

Faye (Rooney Mara) ist eine junge Musikerin, die beim Musikproduzenten Cook (Michael Fassbender) als Texterin arbeitet. Sie träumt nicht nur von einer eigenen Karriere, sie sucht den Geschmack des Augenblicks. Malick arbeitet mit Archetypen wie aus einer Folktale: das junge Mädchen auf der einen Seite, der aalglatte, zu keiner wahren Empfindung mehr fähige Verführer auf der anderen. Faye hat mit ihm eine Affäre, doch sie verliebt sich in einen von Ryan Gosling verkörperten, sorglosen Sonnyboy. Auch Malicks La La Land ist kein Traumland: Ein Leben von "song to song", von "kiss to kiss", so eine der Zeilen von Faye im Voice-over, bleibt unmöglich, weil alles Reale schnell verderblich ist.

Der Fall ist auch in Song to Song unvermeidlich, und bei Malick hat er im Spätwerk immer etwas von einem Sündenfall. Die Liebenden werden durch Cook, der im Sex Bestätigung sucht, auseinander getrieben. Sie werden in anderen Partnern – Bérénice Marlohe und Cate Blanchett – das suchen, was sie verloren haben.

Wiedergewonnenes Eden

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass bei Malick alle Figuren dieselbe unvollkommene Welt bewohnen. Von seinem Debüt Badlands (1973) an interessierte ihn stets mehr der Weg, der durch moralische Konflikte führt, als diese selbst – es geht nicht um die Rückkehr ins Paradies, sondern um ein wiedergewonnenes Eden. Eines, das um die eigene Fehlerhaftigkeit weiß.

Ehe die Entfremdung zuschlägt, erinnert Song To Song bisweilen an die burleske Ausgelassenheit von François Truffauts Jules et Jim. Die Erzählung erweitert sich zur Ménage-à-trois. Emmanuel Lubezkis schwebende Kamera, die sich vorwärts reimende Montage, beides fasst vor allem Sensationen ins Auge, Bilder, die sich ganz dem Empfinden öffnen. Die diversen Orte – Wohnungen, die Faye vermittelt, Konzerte, beiläufig eingefangene Straßenszenen, erhabenes Naturschauspiel –, alles wird vom Spiel der Liebenden beseelt.

Die Poesie ist nie weit entfernt

Irritierend wirkt manchmal, dass das improvisatorische Moment in der Darstellung als Methode allzu sehr in den Vordergrund gerät. Schauspieler albern am Strand zu Bob Dylans Rollin' and Tumblin' herum. Anderswo werden Klischeebilder bemüht; ein Champagnerglas wird mit dem Schuh zerstampft. Aber die Poesie ist nie weit entfernt. Es gibt ekstatische Szenen wie das Betasten eines Gesichts im neondurchzuckten Nachtklub oder einen schon fast komischen Moment, wenn sich das Hochgefühl im Flugzeug in Schwerelosigkeit übersetzt. Die Zusammenhänge sind nicht immer festzumachen. Malick erweitert den Rahmen der Welt und verharrt doch immer wieder auf dem bangen Gesicht von Rooney Mara. Sie ist der menschliche Fluchtpunkt. (Dominik Kamalzadeh, 25.5.2017)