Stellt gemeinhin Wagner und Strauss ins Zentrum seines Repertoires: Christian Thielemann, Dirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden.

Wien – Ein "konservativer Querschädel und Spezialist des deutschen Fachs von Beethoven bis Bruckner" – das ist Christian Thielemann für die Zeit. Wagner und Richard Strauss und nicht viel darüber hinaus stehen aber gemeinhin im Zentrum seines Repertoires. Insofern sollte es ein deutliches Signal in andere Richtungen sein, dass er für das erste Gastkonzert im Musikverein einerseits französische Stücke und andererseits frühen Schönberg wählte. Die Sächsische Staatskapelle Dresden demonstrierte bei alldem Präsenz und Klangpracht, während der Kapellmeister im interpretatorischen Zugriff wie mit seiner kantigen Gestik stets sich selbst treu blieb.

Schwelgte das Prélude aus der Schauspielmusik zu Maurice Maeterlincks Pelléas et Mélisande von Gabriel Fauré in Entrückung wie Isoldes Liebestod, wurde das G-Dur-Klavierkonzert von Maurice Ravel zum Musterbeispiel eines unproduktiven Missverständnisses, wozu auch Daniil Trifonov als Solist sein Scherflein beitrug. Der Pianist demonstrierte wohl im Mittelsatz Klangsinn und Gestaltungsdrang, bot aber statt schlichten, expressiven Gesangs outrierte Überdrehtheit, die er auch in den Ecksätzen forcierte: mit aggressivem, übersteuertem Dreinfahren.

Nicht immer einig

Zwar waren sich Dirigent und Pianist bei den Tempi nicht immer einig, wohl aber darin, im Zweifel die Flucht in die Lautstärke zu suchen. Das passte zu Thielemanns martialischer Schlagseite, jedoch nicht zu Ravel, dessen Esprit ebenso fehlte wie der Sinn für die oszillierenden harmonischen und farblichen Abstufungen, sodass die Wiedergabe des Stücks einer Demontage glich.

Nach der Pause trat der Dirigent dann mit Arnold Schönbergs auswendig dirigierter (!) Symphonischer Dichtung Pelleas und Melisande zu einem Husarenstreich an, der ihm und dem Orchester auf beachtliche Weise glückte, auch wenn die Dynamik da und dort etwas verwaschen wirkte: Schillernd und flexibel leuchtete der große Orchesterapparat, erstrahlte mit ganzer Wucht, ohne dabei zu massig zu wirken: ein vierzigminütiger Spannungsbogen wie aus einem Guss.

Wie heißt Chapeau nochmals auf Deutsch? Ach ja: Hut ab! (Daniel Ender, 24.5.2017)