"Na Yatem" ist einer von 146.308 Namen der im Syrienkrieg getöteten Menschen, die in Santiago Sierras Performance verlesen werden.

Foto: Margarete Affenzeller

Wien – Die Toten auf den Bildern mit zerbombten Häuser und Straßenzügen aus dem Syrienkrieg bleiben immer namenlos. Ein Forscherteam unter der Leitung von Pedro Brieger, Professor für Soziologie des Mittleren Ostens an der Universität Buenos Aires, hat die Namen tausender Opfer nun im Auftrag des spanischen Konzeptkünstlers Santiago Sierra zusammengetragen. Je nach Quelle weichen die Zahlenangaben enorm voneinander ab. Auf Basis der Daten des Violations Documentation Center (VDC) in Syrien gab es per Stichtag 31. Dezember 2016 demnach 146.308 Tote, darunter 16.272 nicht Identifizierte.

Länderübergreifend

Santiago Sierra lässt diese Namen nun in einer länderübergreifenden Performance wie zu einem Totengedenken vorlesen. Begonnen wurde in Tel Aviv, die Lesung setzt sich derzeit 48 Stunden lang in Wien fort (23. 5., 15 Uhr, bis 25. 5., 15 Uhr), danach folgen London und Buenos Aires. Deutlich größer als die zum nachmittäglichen Beginn in den Hofstallungen beim Mumok eingetroffene Zuhörerschar ist das Internetpublikum, das per Livestream die Möglichkeit hat, der Namen gewahr zu werden. Über ein Dutzend arabischsprachige Sprecherinnen und Sprecher wechseln einander paarweise beim Lesen ab, die Namen werden dazu projiziert.

In seinen Installationen und Performances thematisiert Sierra (1966 geboren) immer wieder die Auswirkungen von struktureller Gewalt auf das Individuum und macht so das Leid des einzelnen Menschen sichtbar. Hier geschieht dies namentlich. Die alphabetische Liste hat in Wien mit dem weiblichen Namen Myasa Khaled Khashfeh begonnen. Ganze Familien werden im Verbund genannt, etwa Nabaa Family.

Virtueller Friedhof

Das Bedeutsame von The Names of those Killed in the Syrien Conflict, between 15th of March 2011 and 31st of December 2016 ist, die Namen der Toten zu eruieren und sie dem größten Gedächtnis unserer Zeit, dem World Wide Web, zu übergeben. Sie werden so zu einem virtuellen Friedhof, der Läuterung ermöglicht. (Margarete Affenzeller, 24.5.2017)