Die Arbeitswelt beschleunigt sich. Schuld daran ist auch die Digitalisierung.

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Immer schneller immer mehr leisten und mit permanenten Veränderungen schritthalten zu müssen, ist ein Gefühl, das die meisten kennen – insbesondere wird es in der Arbeitswelt spürbar. Wissenschafter bezeichnen das Phänomen als "soziale Beschleunigung".

Aber wie genau wirkt es sich für den Einzelnen, für die Einzelne aus? Dieser Frage ging ein Forscherteam um den Psychologen Christian Korunka von der Universität Wien nach. Für ihre Studie haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mehr als 2000 Beschäftigte im Dienstleistungsbereich (Verwaltung, Gesundheit, IT) in einem Abstand von jeweils eineinhalb Jahren befragt. Zusätzlich analysierten sie Interviews und Tagebuchaufzeichnungen.

"Wir leben in einem permanenten Software-Update", sagt Korunka über die Ergebnisse, die kürzlich im Sammelband "Job Demands in a Changing World of Work" veröffentlicht wurden. Die sich – vor allem durch die Digitalisierung – rasant wandelnde Arbeitswelt verlange, dass man seine Kompetenzen ständig weiterentwickelt. Die permanenten Lernanforderungen werden von den Beschäftigten jedoch durchwegs positiv wahrgenommen, wie sich in der Befragung zeigte. Offenbar tragen sie zu Motivation und Zufriedenheit bei. Korunka: "Menschen macht lernen Spaß." Nichtsdestotrotz gebe es jedoch auch jene, die nicht mithalten können oder wollen und aussteigen. "Dass die neue Arbeitswelt auch Verlierer schafft, dessen sollte man sich bewusst sein."

Was die Folgen sind

Was das "Immer-schneller-immer-mehr" auch zur Folge hat, ist eine Intensivierung der Arbeit. Die Forscher der Uni Wien konnten belegen, dass nicht nur der Zeitdruck steigt, sondern auch die Arbeitsdichte – was die Mehrheit der Befragten als belastend empfindet. In der Folge sinken Engagement, Wohlbefinden und Zufriedenheit, die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen, was zu Erschöpfung führt.

Eine zunehmende Autonomie ermöglicht zwar Flexibilität – bedeutet jedoch auch mehr Verantwortung und mehr Planung. So kann Gestaltungsfreiheit schließlich zur Herausforderung werden, sagt Psychologe Korunka: "Das klassische Paradigma war, je mehr Autonomie, umso besser. In der entgrenzten Arbeitswelt zeigt sich jedoch, dass es auch zu viel davon geben kann."

Struktur und Sicherheit nötig

Wie die Beschäftigten mit den Anforderungen umgehen, haben die Forscher im Rahmen des fünfjährigen Projekts, das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützt wurde, ebenfalls untersucht. Identifiziert haben sie zwei Handlungsmuster. Einerseits versuchen Beschäftigte aktiv die Anforderungen der Arbeit zu bewältigen – sie erhöhen ihr Arbeitstempo, arbeiten länger oder von zu Hause aus und reduzieren Pausen. Andererseits zeigen sie passive Handlungsmuster, indem die Qualität der Arbeit abnimmt oder Erfolge, wie etwa zur Erreichung von Zielvereinbarungen, vorgetäuscht werden.

Bleibt die Frage, was Unternehmen beitragen können, um die gesteigerten Anforderungen in gegenseitigem Interesse bewältigen zu können. "Sie sind gefordert, Grenzen zu setzen, Richtlinien zu formulieren, sinnvolle Kennwerte zu entwickeln und vor allem die Mitarbeiter in Entscheidungen einzubinden", sagt Korunka. Struktur und Sicherheit seien die Voraussetzungen für produktives Arbeiten. (lib, 25.5.2017)