Kiel – Spätestens seit der Eröffnung des Suezkanals herrscht ein reger Artenaustausche zwischen den Mittelmeer und dem Roten Meer. Seit einiger Zeit verbreiten sich auch einzellige Meeresbodenbewohner aus dem Indopazifik – und zwar völlig unabhängig von den herkömmlichen Wegen wie dem Schiffsverkehr. Nun ist ein internationales Forscherteam den Mikroorganismen und ihren Reisenrouten auf die Schliche gekommen: Offenbar sind sie im Darm von Fischen unterwegs, die ebenfalls aus dem Indopazifik ins Mittelmeer gelangt sind.

Die Gruppe mit Vertretern aus Israel, Deutschland und den USA hat das Vorkommen von Foraminiferen im Mittelmeer untersucht. Foraminiferen können mikroskopisch klein oder einige Zentimeter groß sein und besiedeln unter anderem den Meeresboden. Pflanzenfressende Fische verschlucken sie zum Teil versehentlich während ihrer Nahrungsaufnahme. Es scheint, dass diese Kleinstlebewesen die Passage durch den Magen-Darm-Trakt der Fische oft überleben und somit während der Wanderung der Fische von einem Ort zum Nächsten transportiert werden können.

Mobile Spezies

"Invasive Arten stellen mittlerweile ein weltweites Problem dar, welches besonders – aber anscheinend nicht ausschließlich – von der ausgeprägten Mobilität der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten verstärkt wurde", erklärt die Hauptautorin der Studie, Tamar Guy-Haim vom GEOMAR und von Israel Oceanographic and Limnological Research (IOLR).

Durch die Kombination aus Feldarbeit in den Jahren 2015/16 und Archiv-Recherche wurden die Meeresforscher auf einen interessanten Zusammenhang aufmerksam. Kaninchenfische und bestimmte Foraminiferenarten aus dem Indo-Pazifik breiteten sich nachweislich parallel in fremden Lebensräumen aus. "Auch das Mittelmeer ist von dieser Doppelinvasion betroffen. Wir wollten wissen, warum", sagt Guy-Haim.

Erstaunlich schnellen Verschleppung

In Magen- und Kotproben von frisch gefangenen Kaninchenfischen aus dem Mittelmeer sowie aus präparierten Exemplaren in Museen konnte das Team die kleinen Einzeller schließlich nachweisen – teilweise sogar lebendig. "Die sogenannte Ichthyochorie, der Transport lebender Organismen durch den Magen-Darm-Trakt von Fischen, ist aus Süßgewässern bekannt. Das Phänomen wurde aber noch nicht in Verbindung gebracht mit der zum Teil erstaunlich schnellen Verschleppung von Tieren und Pflanzen im Meer, vor allem nicht von am Meeresboden lebender Arten. Doch offenbar fungieren Fische im Mittelmeer tatsächlich als trojanische Pferde", erläutert Guy-Haim.

Bisher galten vor allem der Tourismus, die Aquakultur und die Handelsschifffahrt als Wegbereiter für den Transport von Arten von einem Lebensraum zum anderen. Speziell das Mittelmeer hat aber auch durch die Eröffnung des Suezkanals 1869 viele neue Arten aus dem Roten Meer und dem Indischen Ozean hinzugewonnen. Ein Gewinn für den heimischen Artenreichtum ist das nicht immer, da angestammte Organismen häufig durch die Zuwanderer verdrängt werden.

Neuankömmlinge im Vorteil

"Fremde Arten können Einheimischen gegenüber einige Vorteile haben. Sie haben potentiell keine Fressfeinde, da sie diesen unbekannt sind. Sie bringen eventuell Krankheitserreger mit, die ansässige Spezies befallen und deren Zahl verringern. Auch der Klimawandel kann zu Veränderungen im heimischen Lebensraum führen, mit denen der Neuankömmling eventuell besser zurechtkommt", so die Forscherin.

Nach der im Fachjournal "Limnology and Oceanography Letters" präsentierten Studie muss die Forschung nun einen neuen Transportweg für invasive Arten in Untersuchungen berücksichtigen. Die unterschiedlichen Transportwege von invasiven Arten zu identifizieren, hilft langfristig dabei, Vorhersagen über mögliche Ausbreitungsradien zu treffen und diese möglichst einzudämmen oder gänzlich zu unterbinden. (red, 29.5.2017)