"Mit Uga-Uga-Gehabe allein kommt man nicht weiter": Deswegen will Steinhauser für die Grünen nun mit harten Verhandlungen im Parlament noch einige Erfolge vor der Neuwahl im Oktober erzielen.

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Wien – Der neue Klubchef der Grünen, Albert Steinhauser, macht Druck für einen Beschluss über einen Mindestlohn. Im STANDARD-Interview fordert er Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern auf, seinen Gesetzesantrag vorzulegen, denn: "Hier könnten Grüne und Freiheitliche mitgehen – und damit wäre die Blockadehaltung der ÖVP durchbrochen." (red)

STANDARD: Ihre Parteikollegin Alev Korun beschreibt Sie als verbindlichen Politiker, der nicht der Fraktion der "Uga-Uga-Männer" angehört. Wie werden Sie sich da als grüner Klubchef im Parlament im anstehenden Dreikampf zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ behaupten?

Steinhauser: Vor gemeinsamen Beschlüssen sind ohnehin weniger Selbstdarsteller als harte Verhandler in der Sache mit geschickter Taktik gefragt. Natürlich braucht es in den Gesprächen davor oft Zuckerbrot und Peitsche. Aber vor solchen Konfrontationen scheue ich nicht zurück. Ich habe bereits einige harte Verhandlungen wie etwa bei der Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus mit dem berüchtigten Fritz Neugebauer von der ÖVP erfolgreich hinter mich gebracht. Fest steht: Mit Uga-Uga-Gehabe allein kommt man nicht weiter.

STANDARD: Wo wollen Sie konkret beim womöglich anstehenden freien Spiel der Kräfte bis zur Neuwahl im Oktober mitmischen?

Steinhauser: Zwar hätten wir viele Anliegen, wir wollen uns nun aber auf das konzentrieren, was eine reale Chance auf eine Mehrheit hat: Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern soll seinen Gesetzesantrag für einen Mindestlohn vorlegen, denn hier könnten Grüne und Freiheitliche mitgehen – und damit wäre die Blockadehaltung der ÖVP durchbrochen. Falls es nicht dazu kommt, wäre fünf Monate lang bis zum Urnengang sichtbar, dass sich Kern hier in Koalitionsdisziplin ohne Koalition übt.

STANDARD: An eine Einigung der Sozialpartner glauben Sie nicht, wie von Rot und Schwarz bis Ende Juni vorgesehen?

Steinhauser: An eine lückenlose Einigung auf einen Mindestlohn für alle Branchen glaube ich definitiv nicht. Deshalb sollte die SPÖ ihren Entwurf jetzt vorgelegen, damit es rechtzeitig zu einer Einigung und einem Beschluss kommen kann.

STANDARD: Aus Erfahrung kann es beim freien Spiel der Kräfte leicht zu einem Tohuwabohu im Nationalrat kommen. Haben Sie hier auch freie Hand – oder müssen Sie vorher stets mit Bundessprecherin Ingrid Felipe in Innsbruck und Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek in Brüssel Rücksprache halten?

Steinhauser: Natürlich klären wir die großen Linien stets miteinander ab, aber grundsätzlich versuche ich jetzt mit unserem 24-köpfigen Parlamentsklub Erfolge zu erzielen – und habe von beiden auch volle Unterstützung dafür.

STANDARD: Lunacek hat bereits für Irritationen gesorgt, weil sie das Schließen der Balkanroute von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ohne Sanktus von Deutschland, Griechenland und der EU-Kommission als "falsch" bezeichnet hat. Doch was hätten die Grünen stattdessen getan – weiterhin tausende Asylwerber unkontrolliert ins Land gelassen?

Steinhauser: Uns geht es bei der Frage um den größeren Kontext: Zwar fühlt sich Europa gegenüber US-Präsident Donald Trump mit seinen Plänen für einen Bau einer Mauer zu Mexiko erhaben – aber macht die Union derzeit alles so viel besser? Wir Grüne fordern ein europäisches Asylsystem samt der Bekämpfung der Fluchtursachen. Wir müssen die europäische Handelspolitik überdenken, wenn europäische Fischereiflotten vor den Küsten Afrikas die lokalen Märkte zerstören und die Menschen verstärkt in die Armut und damit zur Flucht treiben.

STANDARD: Solche Lösungen brauchen, bis sie greifen, freilich Jahre. Aber welches Konzept hätte Lunacek als Vizepräsidentin des EU-Parlaments angesichts des akuten Flüchtlingsandrangs und bis heute ausstehender Solidarität anderer EU-Staaten verfolgt?

Steinhauser: Das Europäische Parlament hat mit großer Mehrheit bereits Jahre vor den aktuellen Fluchtbewegungen Resolutionen für eine gemeinsame Asylpolitik inklusive der Aufforderung, Flüchtlinge aufzunehmen und auf alle Staaten zu verteilen, beschlossen. Diese sind trotz Unterstützung der Kommission immer an den Mitgliedsstaaten gescheitert. Kurz hätte also schon lange Zeit gehabt, diese Beschlüsse im Rat durchzusetzen.

STANDARD: Die Grünen schießen sich auffallend scharf auf ÖVP-Chef Kurz ein. Steht er für Sie bei der Flüchtlings- und Integrationspolitik auf einer Stufe mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache?

Steinhauser: Als Integrationsstaatssekretär hat Kurz noch mit konstruktiven Ansätzen überrascht, aber leider hat er dann sehr rasch die Positionen von Strache übernommen. Deswegen vermute ich, dass Kurz Schwarz-Blau will und sein Vorbild Ungarns Premier Viktor Orbán ist. Dennoch würde ich seine ÖVP nicht auf eine Stufe mit der FPÖ setzen, denn Letztere sitzt im EU-Parlament in einem Boot mit dem rechtsextremen französischen Front National und der deutschen AfD – und das ist schon eine andere Kategorie.

STANDARD: Ist die ÖVP unter Kurz als Koalitionspartner also denkbar – oder präferieren Sie eindeutig Kerns SPÖ?

Steinhauser: Zunächst muss sich Kurz überhaupt einmal bei wichtigen Themen wie Wirtschaft oder Soziales positionieren, kein Mensch weiß ja, was er will. Bei seiner Asyl- und Integrationspolitik gibt es mit uns jedenfalls ein massives Problem – und in gesellschaftspolitischen Belangen deutlich mehr Überschneidungen mit Kerns SPÖ.

STANDARD: Doch wird nach den wochenlangen Querelen mit der Parteispitze Ihre Jugend im Wahlkampf überhaupt für Ihre angestrebten "zwölf bis vierzehn Prozent" laufen?

Steinhauser: Im erweiterten Bundesvorstand haben wir beschlossen, dass der Dialog mit den Jungen Grünen wieder beginnt, sobald eine neue Führung gewählt ist. Freilich bedeuteten die Streitereien für uns alle eine harte Zeit. Aber ich bin überzeugt davon, dass sich nun auch die Parteijugend dem drohenden Rechtsruck entgegenstellen will – und ich hoffe, dass sich viele engagieren.

STANDARD: Trauen Sie sich eine Einschätzung zu, ob Ihr ehemaliger Parteifreund Alexander Van der Bellen, nun Bundespräsident, Strache bei einem Wahlsieg als Kanzler angeloben würde?

Steinhauser: Das ist eine schwierige Frage, weil das nur Van der Bellen selbst weiß. Ich bin aber davon überzeugt, dass er sicher alles tun wird, um in dem Fall Alternativen auszuloten. Letztlich hängt aber auch alles daran, ob die SPÖ oder die ÖVP Strache als Kanzler unterstützen würde. Bis jetzt haben das Rot wie Schwarz nicht ausgeschlossen – und darum sind wir die sicherste Partei, wenn man die FPÖ nach dem 15. Oktober nicht in einer Regierung haben will.

STANDARD: Wenn sich keine grüne Regierungsbeteiligung ausgeht, wird Lunacek nach der Wahl Klubchefin – kein Problem damit?

Steinhauser: Lunacek zieht die Wahlbewegung – und es hat bei uns gute Tradition, dass die Spitzenkandidatin dann auch den Klub führt. Ich bin überzeugt, dass wir auch in dem Fall gut zusammenarbeiten, und hoffe, dass sie mich an ihrer Seite haben will. (Nina Weißensteiner, 26.5.2017)