Vom Dach des Kastells im alten Hafen von Paphos hat man rund 2.500 Jahre Geschichte im Blick: die Uferpromenade mit den daran aufgereihten modernen Hotelbauten, auf einem Hügel die Altstadt und gleich hinter dem Hafen den Archäologischen Park Kato Paphos. Mit seinen fantastischen Mosaikböden aus römischer Zeit und den unterirdischen Gräbern, die im 4. Jahrhundert vor Christus für wohlhabende Bürger in den massiven Fels gehauen wurden, gehört er zum Weltkulturerbe der Unesco. Etwas weiter die Südküste entlang soll gar Aphrodite, Göttin der Liebe und der Schönheit, der Brandung entstiegen sein. Umschwimmt man an ihrem "Geburtsort" den großen Felsen Petra tou Romiou dreimal bei Vollmond, soll das eine Verjüngung um 30 Jahre bringen.

"Antikes haben wir hier genug. Aber niemand hat diesen modernen Kulturimpuls so dringend gebraucht wie Paphos", sagt Programmchefin Georgia Doetzer. Sie stammt aus Nikosia und hat an der Kulturhauptstadt-Bewerbung Limassols mitgewirkt, bevor sie 2015 das Ruder als Künstlerische Diektorin für "Pafos 2017" übernahm. "Wir haben hier fast bei null angefangen. Es war eine Entscheidung für die Idee der Open Air Factory, für die Perspektiven, die unsere Freiluft-Kulturbaustelle hier eröffnen kann."

Vieles spielt sich im Freien ab

Die erfahrene Theatermanagerin stand nach dem Zuschlag vor einigen Herausforderungen: keine Infrastruktur, keine Manpower. Dann kam die zyprische Finanzkrise. "Unser Budget wurde halbiert, ein Drittel unserer Projekte ging baden." Die 30.000-Seelen-Gemeinde Paphos verfügt über das kleinste Budget in der Geschichte der Europäischen Kulturhauptstädte. Mit 8,5 Millionen Euro – 1,5 davon kommen von der EU – muss Georgia Doetzer ein ganzes Jahr haushalten.

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Um Kosten zu sparen, finden viele Veranstaltungen im Freien statt. Da fügt es sich gut, dass Zypern die meisten Sonnenstunden im Mittelmeerraum vorweisen kann. Während der Veranstaltungsreihe "Moon and Stars" treten Stars wie Charlotte Rampling, Vladimir Ashkenazy oder Goran Bregovic im Schatten von Aphrodites Felsen oder im Odeion in Kato Paphos unter freiem Himmel auf.

Das große Open-Air-Spektakel Eternal Voyages erzählt Anfang Juli am alten Hafen die Geschichten von Reisenden aus der ganzen Welt, die über die Jahrhunderte in Paphos angelandet sind – Pilger, Kaufleute, Eroberer, Touristen, Migranten. Sie haben die multikulturelle Identität der Hafenstadt geschaffen. "Kontinente und Kulturen verbinden" heißt das Motto des Kulturjahres. Georgia Doetzer ist es ernst damit.

Verbindendes auf der Insel

Wichtiger als Stars ist der Programmchefin der verbindende Aspekt, auch innerhalb der geteilten Insel: Ihre Weltkulturerbestätte Kato Paphos verdankt die Stadt einem türkischstämmigen Landwirt, der beim Pflügen auf seinem Grundstück 1962 unweit des alten Hafens die heute weltbekannten römischen Mosaike freilegte.

Die von sechs zyprischen Künstlern gestalteten Installationen "Signs in Time and Space" gehören zu den wenigen nach außen sichtbaren Zeichen, dass Paphos 2017 Kulturhauptstadt ist.
Foto: Pafos 2017 / Constantinos Larkos

Der Mann wurde wie viele seiner Landsleute sunnitischen Glaubens nach der türkischen Invasion im Nordteil der Insel 1974 aus seiner Heimat Paphos vertrieben. Zurück blieben leere Bergdörfer und der teils heute noch verwahrloste Stadtteil Mouttalos, den Georgia Doetzer neu beleben möchte. "Viele Zyperntürken haben immer noch eine starke Bindung an ihre alte Heimat. Wir haben natürlich auch Künstler aus dem Nordteil der Insel eingeladen." Es gibt gemeinsame Installationen und Ausstellungen oder das Projekt Peace2Peace, bei dem Frauen aus beiden Teilen der Insel Laternenpfähle und Olivenbäume mit buntem Garn umhäkeln.

"Wir können Brücken bauen und Impulse geben." Doetzer geht es auch um Nachhaltigkeit über 2017 hinaus. "Im Umland ermuntern wir die Bevölkerung, sich für einen Nationalpark auf der abgelegenen Halbinsel Akamas am Westzipfel der Insel zu engagieren, Wanderwege einzurichten, auf Agrotourismus umzustellen. Von da aus muss es weitergehen – aus den Kommunen heraus."

Imker für einen Tag

Einer der Pioniere des zyprischen Ökotourismus ist Costas Stylianou. Der Imker zeigt Urlaubern, wie ein Bienenstock mit 30.000 bis 50.000 Insekten funktioniert – hautnah. Vor dem Besuch packt er seine Schützlinge in robuste Overalls, die er an den Schuhen abklebt, dazu verteilt er Handschuhe und Imkerhüte.

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Die Arbeitsbienen lassen sich anfangs zwar kaum irritieren, als Costas die ersten Rahmen mit den Waben zur Demonstration aus der Holzzarge zieht. Als er das Rähmchen mit der Königin in der Hand hält, entsteht aber Unruhe, und einige Bienen schwirren mit bedrohlichem Summen auf die Eindringlinge los. Mit Rauchschüben aus einem Blechblasebalg lenkt sie Costas ab. "Das macht sie high. Zyprische Bienen sind nicht die größten, aber recht aggressiv."

Trotz Mandelblüte, Wildblumen und gelb leuchtenden Ginsters ringsherum kam der Imker zuletzt pro Bienenstock nur auf ein Kilo Honig anstatt wie in guten Jahren auf über 20, und er verliert ganze Völker an Infektionen oder Zugvögel wie den seinem Namen alle Ehre machenden Bienenfresser. Öko-Touristen hingegen sind für ihn willkommene Zaungäste.

Vegan ist nicht so angesagt

Costas Partnerin Georgia Shoshilou zelebriert Küchenkultur im Rahmen von Picknicks zur Verkostung lokaler Produkte und Gerichte – auf Wunsch auch vegan. Letzteres ist nicht gerade typisch zyprisch. Die traditionellen Meze, eine Auswahl pikanter Appetithappen, bestehen neben dem zwischen den Zähnen quietschenden Nationalkäse Halloumi vor allem aus Ziege und Schaf in jeder Form. "Vegane Gerichte interessieren die Einheimischen kaum", sagt Shoshilou.

Der "Tisch der Vereinigung"
Foto: Pafos 2017

Dabei bringt sie Köstliches auf den Tisch: Tahini und Hummus, Auberginenmus mit Koriander und Olivenöl, eingelegte Kapernblätter, Talattouri – ein Joghurt mit Gurken und Minze -, im Steinofen gebackenes Kräuterbrot und rohe Artischocken. Dazu ein Landwein von den Hängen des nahen Troodos-Gebirges. Zum Dessert dann Kandaifi – in Rosenwassersirup getränkte Blätterteigröllchen – und ein Gläschen des schon im Mittelalter vom Johanniterorden in der Region gekelterten Süßweines Commandaria.

Mit der Wiedervereinigung schaut's schlecht aus

Eine der Installationen während des Kulturjahres ist der runde "Tisch der Vereinigung", hergestellt aus Brettern von Behausungen, die nach 1974 von muslimischen Zyperntürken auf der einen und griechisch-orthodoxen Zyprioten auf der anderen Inselseite verlassen wurden. Er wird bei Events in Paphos aufgestellt, mit Meze bestückt und verbleibt bis Ende des Jahres in der renovierten Karawanserei Ibrahims Khan.

Die im Jänner 2017 neu aufgenommenen Gespräche am realen Verhandlungstisch sind dagegen ins Stocken geraten. Ob das noch etwas wird mit der Wiedervereinigung, vielleicht gar im Kulturjahr? Schön wär' s. (Gabriela Beck, 30.5.2017)