"Die Verwendung der Comic- und Zeichentrickfigur Rosaroter Panther durch die rechtsextreme Terrorgruppe NSU in einem Bekennervideo war weder ein Einzelfall noch ein neues Phänomen", sagt Ralf Palandt.

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Die Ausstellung "Holocaust im Comic" ist noch bis 16. Juli in Schloss Hartheim zu sehen.

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STANDARD: Sie kuratieren seit 2001 die Wanderausstellung "Holocaust im Comic". Nun macht sie ihr letzte Station in der Gedenkstätte Hartheim in Oberösterreich. Reicht es?

Palandt: Comics sind als narrative Kunstform heute wesentlich anerkannter als früher. Das gilt auch für die Umsetzung des Themas Holocaust. Von daher hat die Ausstellung ihren Dienst geleistet und Schloss Hartheim wird die letzte Station sein. Vorträge über Comics von Rechtsextremen und gegen Rechtsextremismus wird es dagegen weiterhin geben.

STANDARD: Was war die ursprüngliche Motivation für die Ausstellung?

Palandt: 1995 wurde der "Alpha Comic"-Verlag in Sonneberg von der Staatsanwaltschaft Meiningen wegen angeblicher Verbreitung pornografischer und gewaltverherrlichender Schriften durchsucht. Unter den beschlagnahmten Objekten befanden sich das Ausstellungsplakat des Comicsalon Erlangen von 1990 zum Comic "Maus" und die beiden Comic-Bände "Schrei nach Leben". In "Maus" schildert Art Spiegelman, wie sein jüdischer Vater die Konzentrationslager Auschwitz und Dachau überlebte. In "Schrei nach Leben" zeichneten Paul Gillon und Patrick Cothias den biografischen Roman von Martin Gray über seine Zeit im Warschauer Ghetto nach. Erst nach heftigen Protesten aus der Öffentlichkeit sahen die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht Sonneberg davon ab, weiter gegen die besagten Objekte angeblich "nationalsozialistischen Inhalts" vorzugehen. Wenn Verlage und Vertriebe wegen Comics, die sich inhaltlich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus richten, Gefahr laufen, strafrechtlich verfolgt zu werden, läuft offensichtlich etwas falsch. Und hier soll die Ausstellung Aufklärung betreiben.

STANDARD: Hat es funktioniert?

Palandt: Es galt und gilt, ein Bewusstsein bei den Besuchern dafür zu schaffen, dass selbst so ein schwieriges Thema als Comic seine Berechtigung haben kann. Einige Veranstalter hatten anfangs Angst, den Holocaust in Verbindung mit Comics zu bringen, denn in einigen Köpfen galten Comics noch als "Kinderkram". Diese Einstellung hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Von daher ist die Ausstellung heute auch ein Rückblick auf frühere Holocaust-Comics.

STANDARD: Es kommt aber noch heute vor, dass Hakenkreuze, etwa auf Covers der deutschen Ausgaben von Captain America-Heften, zu Fenstern werden. Was hat es damit auf sich?

Palandt: Während in den US-Heften die Superhelden und Superheldinnen gegen alte und neue Nazis kämpften, wurden diese Inhalte von den deutschen Verlagen bis in die 1980er- Jahre für eine Übersetzung entweder verworfen oder durch Retuschen entpolitisiert, das heißt aus Nazis wurden Mafiakiller. Seit den 1990er-Jahren werden in den deutschen Versionen der Superhelden-Comics Nazis als solche gezeigt und ihre hasserfüllten und antisemitischen Texte übersetzt, doch oft die dazugehörenden Hakenkreuze zu sogenannten "Fensterkreuzen" retuschiert oder ganz entfernt. Da es sich bei Superhelden-Comics um Fantasy-Geschichten handelt (im Gegensatz zu historisierenden Comics), versuchen einige Verlage durch diese Selbstzensur einer staatlichen Beanstandung zuvorzukommen. Nazis mit "Fensterkreuzen" auszustatten, scheint mir dabei allerdings der falsche Weg zu sein, auch weil Nazis mit ihren Hakenkreuzen längst unbeanstandet im Vormittagsprogramm über den Fernsehbildschirm flimmern.

STANDARD: Gibt es überhaupt noch sowas wie einen vermeintlichen Tabubruch, wenn es um die Darstellung von Holocaust im Comic geht? Wenn ja, gibt es aktuelle Beispiele dazu?

Palandt: In den 1980er-Jahren veröffentlichten Philippe Vuillemin und Jean-Marie Gourio im französischen Satire-Magazin "Hara-Kiri" und dann als Album ihre "Hitler=SS"-Comics. Angeblich sollte in den schwarz-humorigen Holocaust-Comics "die unerträgliche Todesmaschine" der Vernichtungslager "noch unerträglicher" gemacht und eine "Karikatur der Nazi-Karikatur" gezeigt werden. Doch auf den Protest jüdischer Organisationen hin wurden die Comics verboten. Mit dem zeitlichen Abstand wird der Holocaust zunehmend auch für abseitige Comic-Inhalte verwendet. Ein Beispiel: 2011 veröffentlichte der Splitter Verlag die Übersetzung des Comics "FVZA – Federal Vampire and Zombie Agency" von David Hine, Roy A. Martinez und Wayne Nichols, in welchem KZ-Häftlinge von Nazis mit Vampir- und Zombieviren infiziert wurden und entsprechend verwandelt nach der Befreiung von US-Soldaten verbrannt werden müssen.

STANDARD: Sie forschen seit längerem zu "Braunen Comics" und sind Herausgeber des Sammelbands "Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics". Werden Comics immer schon von Rechten instrumentalisiert und in welcher Form?

Palandt: Die Verwendung der Comic- und Zeichentrickfigur Rosaroter Panther durch die rechtsextreme Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" in einem Bekennervideo war weder ein Einzelfall noch ein neues Phänomen. Der "Kampf um die Köpfe" wird seit Jahren von der rechtsextremen Szene neben dem Einsatz von Rechtsrock gerade auch mittels Comics geführt. In rechtsextremen Printmedien werden unter anderem bekannte Comicfiguren vereinnahmt und stereotype Feinbilder aufgebaut.

STANDARD: Auch rechte Parteien wie die FPÖ greifen auf Comics zurück.

Palandt: Vor der deutschen Bundestagswahl 2009 veröffentlichte die Jugendorganisation der NPD mit "Enten gegen Hühner – Eine fabelhafte Geschichte von Intrige, Propaganda und Zerstörung" einen politischen Tier-Comic, der offensichtlich den bebilderten Text "The Fable of the Ducks & Hens – A Dramatic Saga of Intrigue, Propaganda & Subversion" des Rechtsextremisten George Lincoln Rockwell zum Vorbild hatte. Anträge auf Indizierung wurden allerdings von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) negativ beschieden. Die FPÖ hat immer wieder Comics zur Bewerbung ihrer Politik veröffentlicht, so z.B. "Der blaue Planet – HC‘s Kampf für Freiheit gegen eine zentrale EU" zur Europawahl 2009 oder die Comics mit Heinz-Christian Strache als Supermann.

STANDARD: Sie sind Mitbegründer der deutschen Gesellschaft für Comicforschung. Wie hat sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Medium Comic entwickelt?

Palandt: Bislang kommen Comicforscher und Comicforscherinnen aus verschiedenen Fachbereichen, u.a. aus der Anglistik, Germanistik, Japanologie, Komparatistik, Romanistik, Geschichts-, Kommunikations-, Kultur-, Kunst-, Literatur- und Medienwissenschaft. Entsprechend vielfältig und unterschiedlich fallen die Forschungsinteressen, -perspektiven, -fragen, -methoden, -ergebnisse und wissenschaftlichen Standards aus, wie auch die Vorstellungen darüber, was ein Comic ist und was nicht. Es gibt jedoch (noch) keine allgemein anerkannte Comicwissenschaft (Comicologie). Dieser institutionelle Rahmen wäre aber nötig, um die Forschungsergebnisse zu sammeln, in Beziehung zueinander zu setzen und das gewonnene Wissen durch Lehre weiterzugeben. (Karin Krichmayr, 30.5.2017)

Ralf Palandt ist Mitglied der Gesellschaft für Comicforschung und der Fachgruppe Visuelle Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Sein Forschungsschwerpunkt sind politische Comics. 2011 erschien der von ihm herausgegebene Sammelband "Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics" im Hirnkost KG Verlag.