Mit einer europaweit kilometerabhängigen Maut müsste Österreichs Vignettensystem geändert werden.

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Brüssel – In einem Jahrzehnt wird es auf den Straßen Europas durch Digitalisierung nicht nur bei Autos zur technischen Revolution kommen, welche die Umweltbelastung und Lärm deutlich reduziert. Auch die Mautsysteme sollten dementsprechend angepasst, das Transportgewerbe im Binnenmarkt durch strengere Regelung effizienter gemacht werden.

Diese generellen Ziele sieht das von der EU-Kommission am Mittwoch präsentierte "Mobilitätspaket" vor. Es enthält Vorschläge für insgesamt acht EU-Gesetzesvorhaben im Verkehrsbereich, die nun mit dem Ministerrat und dem EU-Parlament abgearbeitet werden müssen. Im Zentrum steht die Umstellung der von den Nationalstaaten derzeit sehr unterschiedlich gehandhabten Mautsysteme, sowohl für Lkws wie für Pkws.

Unterschiedliche Systeme

Einige Länder heben gar keine Maut ein, andere stellen die Kosten auf die tatsächliche Straßenbenützung nach Kilometern ab, wieder andere – wie Österreich oder seit kurzem Deutschland – heben per Vignette für Pkws eine Gebühr für einen bestimmten Zeitraum ein, bemauten aber bestimmte Streckenabschnitte wie Brücken oder Tunnels extra.

Nach Vorstellung der Kommission soll das in einem Zeitraum von zehn Jahren umfassend geändert werden. Ob ein Land eine Maut einhebt, soll jedem weiterhin freigestellt bleiben. Jene Mitgliedsstaaten aber, die ihre Straßen vergebühren, sollen das dann aber nach harmonisierten EU-Regeln tun, erklärte die zuständige Verkehrskommissarin Violeta Bulc.

Generell soll es zu einem Ende der zeitbezogenen Maut wie mit der Vignette kommen (Luxemburg etwa oder Dänemark heben derart auch die Maut für Lkws ein). Stattdessen soll es generell nur noch eine kilometerabhängige Maut geben, wie das heute zum Beispiel in Frankreich gehandhabt wird. Die Umstellung soll für Lkws bis 2023 erfolgen, für Pkws bis 2027.

Umweltgerecht und fair

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Kommission die Einhebung der Mautgebühren durch spezielle digitale Geräte im Fahrzeug vorschreiben will, die grenzüberschreitend im gesamten EU-Raum funktionieren.

Laut Bulc würden alle diese Maßnahmen dazu führen, dass die Mautgebühren umweltgerechter und fairer würden. Die Höhe der Tarife soll den Nationalstaaten nicht vorgeschrieben werden. Und die Länder sollen eigene Mautzuschläge für Umwelt- oder Lärmbelastung einheben können.

Rabatt für abgasarme Autos

Die Maut soll auch stärker zur Erhaltung der Infrastruktur herangezogen werden können. Fahrzeuge ohne Schadstoffausstoß sollen mit Reduktionen von 75 Prozent rechnen können. Das Prinzip lautet, dass nach tatsächlichem Gebrauch und Schadstoffausstoß abgerechnet wird, erklärte die Verkehrskommissarin. Was das für den einzelnen Straßenbenützer an Kosten bedeutet, lässt sich daher schwer abschätzen. Vielfahrer werden mehr zahlen müssen.

Die EU-Abgeordnete Claudia Schmidt (VP) befürchtet durch die Umstellung der Autobahnmaut für Pkws Milliardenkosten auf die Autofahrer zukommen. Verkehrsminister Jörg Leichtfried will die Vignette verteidigen.

Ein weiterer Gesetzesvorschlag der Kommission geht auf "Ausbeutung" von Fernfahrern durch Briefkastenspediteure ein. Die Kommission will im Zuge der Entsenderichtlinie gegen Lohndumping vorgehen und dafür sorgen, dass "Fahrernomaden" alle drei Wochen zu Hause sein und an Wochenende in Hotels, nicht in Kabinen schlafen können. (Thomas Mayer aus Brüssel, 31.5.2017)