Es mag paradox klingen, aber die Europäer können Donald Trump im Grunde dankbar sein. Was immer er in der Klimapolitik am Ende nun wirklich vorhat oder tut, ob er davon wieder abrückt, was er gerade erklärte (wie in anderen Fällen auch) – die grobschlächtigen und sprunghaften Angriffe des US-Präsidenten auf die wichtigsten Partner der USA – in EU wie Nato – erzwingen eine substanzielle politische Reaktion.
Sie muss aber maßvoll und gezielt ausfallen, vor allem konstruktiv. Die Europäer dürfen nicht mit den gleichen (verbalen) Mitteln zurückschlagen. Die EU-Partner müssen sich, wie Kommissionschef Jean-Claude Juncker das am Beispiel des Pariser Abkommens verdeutlichte, der Komplexität der Themen angemessen verhalten. Das bedeutet konkret: sich zur Umsetzung etwa der Klimaziele an Washington vorbei Partner suchen, in China (das sich schon angeboten hat), aber auch in US-Bundesstaaten wie Kalifornien oder New York.
Das gilt auch in Handelsfragen, bei der Energiepolitik. So könnten die Europäer vom Konflikt am Ende sogar profitieren. Es eröffnen sich ihnen auf der Weltbühne neue Chancen, je lauter der US-Präsident "America first!" brüllt und sein Land zum Protektionismus antreibt.
Die Europäische Union müsste dem nur entgegensetzen, was sie aus eigener Kraft bisher nicht zustande gebracht hat: Mit "Vorwärts Europa!" können die Mitgliedstaaten sich in der Welt einen neuen Stellenwert erarbeiten. Jetzt oder nie.
Trumps Attacken von außen werden den Prozess zur Erreichung eines doppelten EU-Zieles beschleunigen, an dem sich die Mitgliedstaaten seit langem abarbeiten, woran sie aber wegen interner Streitereien stets scheiterten: eine stärkere politische Union im Inneren herzustellen; und auf dieser Basis global stärker mitzuspielen.
In mehr als 60 Jahren seit Gründung der Gemeinschaft haben es die einst verfeindeten Nationalstaaten mit Aussöhnung und wechselseitiger Integration zwar weit gebracht, vor allem wirtschaftlich. Dennoch waren – und sind – sie nach dem Scheitern des EU-Verfassungsvertrages an Referenden in Frankreich und den Niederlanden 2005 eher lose in einer Union vereint geblieben. Ausnahme: Die Gemeinschaftswährung Euro hatte die EU-Länder eng zusammengeführt. So konnten einzelne Staaten und Großbanken in der Finanzkrise vor dem Crash bewahrt werden, durch gemeinsame Kredithilfen, vor allem das Zupacken der Eurozentralbank.
Aber in anderen politischen Bereichen, die das Schicksal von Staaten (oder eben einer Union) wesentlich bestimmen, gilt das nicht: in der Außenpolitik, der Außenhandelspolitik, der Sicherheitspolitik nach innen wie nach außen. Die EU mag ein wirtschaftlicher Riese sein. Als weltweit gestaltende Kraft ist sie bisher nur ein verschlamptes Talent geblieben. Das Hin und Her bei den Handelsverträgen mit Kanada (Ceta) und den USA (TTIP) sprach dazu zuletzt Bände. Oder auch die schwache Haltung in den Konflikten und Kriegen an den Süd- und Ostflanken der Union, mit Flüchtlings- und Migrationsdramen; oder bei der Verteidigung der Menschenrechte.
Europa muss aktiv werden. Das hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gemeint, als sie sagte, wir Europäer müssen "unser Schicksal selber in die Hand nehmen", weil auf die USA kein Verlass mehr sei. Berlin und Paris wollen nun Ernst machen mit der politischen Union. Trump sei Dank. (Thomas Mayer, 1.6.2017)