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Es sind schwer greifbare Zahlen, die regelmäßig für Aufsehen sorgen: In manchen Wiener Bezirken seien die Preise allein im Vorjahr um zehn Prozent gestiegen, heißt es in der einen Statistik. Oder in einer anderen: Der Preis für eine durchschnittliche Wohnung mit 80 Quadratmetern stieg seit 2010 von 221.808 auf 302.563 Euro. Was dabei oft unter den Tisch fällt: Die Statistiken, von denen die Rede ist, beziehen sich alle auf die Angebotspreise von Immobilien – und nicht auf tatsächlich erzielte Verkaufspreise.

Experten raten daher zur Vorsicht. "Diese Angebotspreisspiegel repräsentieren nur einen sehr kleinen Bereich von Wohnungen", sagte beispielsweise Vlasta Zucha von der Statistik Austria vor kurzem zum Standard. Bei Mietpreisspiegeln würden beispielsweise Genossenschafts- oder Gemeindewohnungen nämlich überhaupt nicht aufscheinen, weil diese Wohnungen nicht auf Immobilienportalen angeboten werden: "In die Statistik fließt also nur jener private Bereich ein, der nicht schnell genug weggeht."

Äpfel und Birnen

Jener Bereich also, der tendenziell eher teuer – vielleicht sogar überteuert – ist. Darauf weist auch Alexander Bosak, Leiter der Researchabteilung beim Maklerunternehmen Otto Immobilien, hin: Denn günstigere Wohnungen seien am schnellsten weg, sehr teure Eigentumswohnungen dafür mitunter auch ein paar Jahre am Markt. Das verfälsche die Statistik. "Außerdem haben Angebotspreise immer eine Verhandlungsspanne", so Bosak.

Der Immobilienfachmann vermutet auch, dass beim Erstellen der Preisspiegel "nicht immer ganz sorgfältig" gearbeitet wird: "Einen Preisspiegel richtig zu machen ist viel Arbeit." So müssen zum Beispiel sämtliche Dubletten herausgefiltert werden, etwa weil die gleiche Wohnung von unterschiedlichen Maklern – und teilweise mit unterschiedlichen Angaben zur Wohnung – online gestellt wird. Das funktioniere nur, wenn jemand Wohnung für Wohnung überprüft und, wenn nötig, aus der Statistik nimmt, meint Bosak. Im schlimmsten Fall würden sonst Äpfel mit Birnen verglichen.

Vor wenigen Tagen erst veröffentlichte das Immobilienportal Willhaben gemeinsam mit Immo United – das Unternehmen hat sich auf die Analyse von Grundbuchdaten spezialisiert – eine Analyse der Preisschere zwischen Angebots- und Verkaufspreisen: Im Schnitt lag diese bei Eigentumswohnungen österreichweit bei neun Prozent, bei Häusern waren es 22 Prozent – und sie hat sich im Vergleich zu den Vorjahren geschlossen, hieß es in einer Aussendung.

Mehr Transparenz

Es fand also zuletzt eine Angleichung statt. ImmoUnited-Chef Roland Schmid interpretiert dies so, dass sich die bessere Transparenz des Marktes hier bereits bemerkbar mache.

Dennoch würden die weitverbreiteten Angebotspreisspiegel den Markt weiter anheizen, glaubt Bosak: "Wegen des mangelnden Zugangs zu realen Abschlusspreisen können diese überhöhten Preise im Kopf der Konsumenten Wirklichkeit werden."

Michael Klien vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung sieht zumindest einen Zusammenhang zwischen der Berichterstattung über die Preise und der Nachfrage nach dem sogenannten "Betongold": "Wenn steigende Preise dazu führen, dass die Preiserwartungen für die Zukunft nach oben geschraubt werden – etwa durch höhere Renditeerwartungen für Investoren und Anleger -, kann dies zusätzliche Nachfrage erzeugen." Und so die Preise in die Höhe treiben.

Recherche nötig

Bosak mahnt dazu, nur gut recherchierte Statistiken heranzuziehen – und sich nicht nur darauf zu verlassen: Wer sich eine Wohnung kaufen will, soll sich auch bereits abgeschlossene Kaufverträge im selben Objekt ausheben lassen. Nur so könne man sich ein realistisches Bild von den Preisen in der Gegend machen – ohne auf den statistischen Durchschnitt vertrauen zu müssen.

"Und man ist immer gut beraten, wenn man sich beraten lässt", sagt Bosak und meint Immobilienmakler oder Gutachter, die zurate gezogen werden können. Letztendlich ist der Preis nur einer von vielen wichtigen Aspekten einer Immobilie. Auch Kriterien wie die Ausstattung und der Zustand des Gebäudes müssen in die Bewertung einfließen. Wenn all das passt, dann ist es am Ende oft das Bauchgefühl, das über den Kauf einer Wohnung entscheidet. Und das lässt sich mit nackten Zahlen nun wirklich nicht erfassen. (Franziska Zoidl, 4.6.2017)