Die Neuerfindung der Oper wurde es nicht gerade, aber ideenreich und schrullig ging es im Theater an der Wien in jedem Fall zu: Gurnemanz (Wolfgang Bankl), der an Künstler und Regisseur Jonathan Meese erinnert, und Kundry (Magdalena Anna Hofmann), die an die Regiezeit Wagners gemahnt, im neuen Stück von Bernhard Lang, also "Mondparsifal".

Foto: Jan Bauer

Wien – Während Kundry unentwegt "Schlafen" raunt und wie Richard Wagner aussieht, steht Parsifal (witzig Daniel Gloger) drollig in sehr kurzen Höschen herum. Er ist – wie Jonathan Meese ihn schuf – Sean Connery (als Zed) im Streifen Zardoz nachempfunden. Der edle Gurnemanz – durch Bart und Langhaar Meese nachempfunden (souverän Wolfgang Bankl) – wiederum beobachtet alles teilnahmslos. Er sitzt in einem Kühlschrank der Würste und Schinken und knabbert an einer Stelze.

Später geht es – im 2. Teil von Mondparsifal Alpha 1–8 (Erzmutterz der Abwehrz) – wieder um ersehnten Schlaf. Kundry (engagiert Magdalena Anna Hofmann) ist nun aber Barbarella, die einst (gespielt von Jane Fonda im Streifen von Roger Vadim) vor lauter sinnlicher Freude ein Gerät, eine Art "Orgasmomanten", zum Glühen brachte. Praktizierter Liebesrausch ist hier jedoch dem irren Rocker mit der kecken Schmalztolle vorbehalten – also Klingsor.

Da ist Regisseur Meese Lustiges gelungen: Es kopuliert Klingsor herzhaft mit einem großen Teddybären. Im Wellenschlag der Wolllust wiegt sich der plüschige Wonneproppen hin und her, um nach Erreichen des Lustgipfels von Klingsor (großartig Martin Winkler) gesäubert zu werden, der später Klopapier frisst. Das Liebensnest ist dabei eine riesige Puppe, die später filmisch brennt.

Zwischendurch werden Eislutscher der Erkenntnis geleckt, Kundry kommt in einem Kanu dahergepaddelt, und Amfortas (profund Tomas Tomasson) ist Spock. Von Vulkaniern umgeben, die das Eiserne Kreuz um den Hals tragen, zeigt er seine Wunde (ein sich drehender Spiralkreis) und ist eher gut drauf. Auch am Ende des 3. Aktes, wenn die Blumenmädchen wieder in japanischen Mangaschulkleidern auftauchen.

Sprüche und Parolen

Es ließe sich ewig weitererzählen – von Entmystifizierung und Sonstigem. Es herrscht eine Überfülle an verspielten Ideen Meeses, der unter Übertiteln auch Sprüche und Parolen platziert. Und doch ist alles in szenischer Opernkonvention erstarrt. Dem trashigen Raumschiff der Assoziationen steht eine Musik zur Seite, die ja an der Behäbigkeit nicht unschuldig ist. Bernhard Lang hat die in seiner Monadologien-Serie angewandte Technik, bekannte Größen wie Strauss und Mozart quasi zu "überschreiben", auf eine Großform ausgeweitet.

Entlang des Librettos von Wagners Parsifal, das durchaus sinnhaft subtil-subversive Umwandlung erfährt (aus "Erlösung dem Erlöser" wird "Erlösung von Erlösern"), lässt Lang das Original durchschimmern. Andererseits wurden die harmonischen Strukturen Parsifals wie unter dem Mikroskop betrachtet, um kaum hörbare "mitschwingende" Töne in der Bedeutung aufzuwerten und mit ihnen eine abstrakte Harmoniewelt aufblühen zu lassen. Das wirkt atmosphärisch stark. Zusammen jedoch mit der bewährten Wiederholungstechnik Langs wird die Musik für den Fluss des Stückes eher zum Bremsfaktor.

Changierende Kunst

Zu Beginn des zweiten Aktes gelingen Lang raffiniert schimmernde und vorwärtsdrängende Passagen. In Summe ist diese zwischen Jazz, Abstraktion, Reminiszenz an TV-Serien der 1970er und frei improvisierten Ausbrüchen changierende Kunst zu dekonstruierend unterwegs, um den Abend zu tragen, dem im finalen Abschnitt auch Szenen aus dem Filmepos Die Nibelungen von Fritz Lang geschenkt wurden.

Aber immerhin: Die Festwochen haben etwas gewagt, haben einem Regie-Parsifal erlaubt, jene seine Stilmittel über Wagner zu stülpen, die in Bayreuth nicht erwünscht waren. Das bunte Chaos der Popularkultur bleibt zwar handwerklich in szenischer Routine stecken. Aber einen (überlangen) Versuch war’s wert. Das formidable Klangforum Wien unter Simone Young klang jedenfalls subtil und eidringlich.

Meese kam schließlich auf die Bühne, antwortete auf die wenigen Buhs mit Salutieren, Boxen und Abbusseln der Kollegen. Er hätte mitspielen sollen. (Ljubiša Tošic, 5.6.2017)