Wie ein versprengtes Spiegelkabinett wirken die Raumtrenner aus der Serie "Prism" von Tokujin Yoshioka für Glas Italia.

Foto: Laila Pozzo, Andrea Ferrari

Elegant japanisch wirkt der "Minima Moralia".

Foto: Hersteller

Zuckerlhaft wirken die "Opium"-Paravents.

Foto: Hersteller

Lärmschluckend sind die Raumtrenner "Wind".

Foto: Hersteller

Um Leder und Stoff geht's beim Paravent "Josef" (nach Josef Hoffmann).

Foto: Hersteller

Das Stoffdesign des Raumtrenners nennt sich "Poissons".

Foto: Hersteller

Paravents spielen ein doppeltes Spiel. Sie halten neugierige Blicke fern und bewirken eine Trennung von Raumzonen. Die neuen Modelle sind stolze Akteure, die sich selbstbewusst in Szene setzen und die praktische Sichtschutzfunktion um eine sinnlich-dekorative Facette erweitern.

Dabei geht die Besonderheit der faltbaren Gesellen weit über ihre Wandelbarkeit und Flexibilität hinaus: Ihnen gelingt das Kunststück, einen dreidimensionalen Raum durch Zweidimensionalität zu transformieren. Die ersten Paravents existierten bereits vor 2200 Jahren in China, wenngleich sie damals noch nicht faltbar waren. Diese Eigenschaft wurde ihnen erst einige Jahrhunderte später in Japan zugestanden.

Während des Barocks galten Paravents auch in Europa als letzter Schrei, als sie mit chinesischem Porzellan den Weg an die Königs- und Fürstenhäuser fanden und zum Inbegriff der Kultivierung avancierten. Von diesem interkulturellen Austausch lassen sich auch heute Designer inspirieren.

Eine Brücke zwischen fernöstlicher Tradition und gestalterischer Gegenwart schlägt Sebastian Herkner. Für die in Mailand und London gezeigte Ausstellung "Doppia Firma" der Michelangelo Foundation arbeitete er mit dem italienischen Lackmeister Lucio Doro zusammen. Die faltbaren Seitenflächen des "Opium"-Paravents wurden von Hand mit sieben Lackschichten überzogen und verbreiten mit Zuckerlfarben gute Laune – ein Eindruck, der durch die sanft abgerundeten Ecken der einzelnen Paneele zusätzlich verstärkt wird.

Fernöstliche Ästhetik

Auf den Spuren fernöstlicher Ästhetik wandeln die Londoner Designer Luke Pearson und Tom Lloyd für den Möbelhersteller Tacchini. Der Paravent "Nebula" ist in unterschiedlich hohe Segmente aufgelöst, die einzeln oder als Gruppe frei im Raum positioniert werden können. Zur Auswahl stehen zwei verschiedene Stoffbezüge: Während das Stoffdesign "Poissons" von Jean Dunand prachtvolle Goldfische und Koikarpfen aufgreift, zeigt das Design "Interiors" von Lucia Pescador gezeichnete Innenräume von traditionellen japanischen Wohnhäusern und modernistischer Architektur. "Ein Paravent ist ein Widerspruch in sich: Er stellt etwas zur Schau, um etwas anderes zu verstecken", umschreibt das Duo den Reiz dieser Gestaltungsaufgabe.

Die illusionistischen Qualitäten einer Theaterbühne kamen der italienischen Designerin Alessandra Baldereschi in den Sinn, als sie den Paravent "Painting" für De Castelli entwarf. Die beiden Seiten des faltbaren Schirms zeigen einen Nachthimmel mit abnehmendem Mond sowie eine Hügellandschaft bei Sonnenuntergang. Die Darstellungen werden nicht durch Farbe, sondern durch das Zusammenspiel von unterschiedlich stark patinierten Metalloberflächen erzielt.

Eine belebende Materialmixtur offenbart zugleich der Paravent "Josef" von Wittmann, bei dem unifarbene Lederflächen auf schwarz-weiß gestreifte Stoffbezüge treffen. Der französische Designer Antoine Simonin erweist damit einem Vordenker der Wiener Moderne die Ehre: dem als Namensgeber fungierenden Josef Hoffmann.

Wie eine Arabeske mutet der "Diamond Screen" aus raffiniert verschlungenen Lederriemen an, den Marcel Wanders für die Wohnkollektion "Objets Nomades" von Louis Vuitton entworfen hat. Das Möbel verschließt nicht, sondern lässt die Blicke passieren wie ein kunstvoll gearbeiteter Zaun.

Spiegelbilder

Im Gegensatz zu klassischen Paravents, bei denen mehrere Flächen durch Scharniere miteinander verbunden werden, macht sich der japanische Designer Tokujin Yoshioka die Eigenschaften von Glas zunutze. Die acht Millimeter starken Schirme aus seiner Serie "Prism" für Glas Italia sind jeweils aus einer zusammenhängenden Fläche gebogen und können ohne zusätzliche Füße sicher stehen. Ihren Namen verdanken die schwergewichtigen Raumteiler einem hochspiegelnden Oberflächenlack. Aufgrund der Krümmung verändern sich die Spiegelbilder schon mit einer geringen Variation des Blickwinkels und entfachen eine überaus dynamische Wirkung.

Wie Raumteiler eine zusätzliche Funktion entfalten können, beweist der japanische Designer Jin Kuramoto mit "Wind". Für den schwedischen Möbelhersteller Offecct entwarf er eine Familie textilbespannter Akustikwände, die störende Geräusche wirkungsvoll schlucken. Die Höhe der freistehenden Paneele wurde so bestimmt, dass sie beim Sitzen Intimität erlauben und beim Aufstehen den Blickkontakt mit den Kollegen wieder herstellen. Indem die neuen Raumteiler den Sichtschutz um einen Schallschutz erweitern, meistern sie ein dreifaches Spiel. (Norman Kietzmann, RONDO, 14.7.2017)


Weiterlesen:

Wohnen im Iran: "Mit der Islamischen Revolution kam der Cut"

Designduo schafft mit Handwerkern aus Rumänien neue Objekte