Das Haus in der Ziedlergasse ist eines von fünf noch bestehenden Notquartieren. Bis Ende Juni soll es geschlossen werden.

Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Wien – Der Kontakt mit Flüchtlingen hilft, Vorurteile und Ängste abzubauen – so lautet das Ergebnis einer Studie, die das Meinungsforschungsinstitut Sora im Auftrag der Stadt Wien in den vergangenen Monaten durchgeführt hat.

Signifikanter Anstieg in der Nähe von Quartieren

1600 Wiener wurden dabei zu ihrer Einstellung zu Flüchtlingen befragt. 600 der Befragten sind Anrainer eines von sechs Flüchtlingsquartieren. Besonders bei ihnen hat sich die Einstellung zu den neuen Nachbarn stark verändert. So waren vor der Eröffnung der Unterkünfte lediglich 44 Prozent der Anrainer für die Quartiere, 22 Prozent waren gegen sie. Nach der Eröffnung ging die Akzeptanz signifikant nach oben: 69 Prozent sprachen sich für die Notquartiere aus, nur noch 14 Prozent blieben bei ihrer Ablehnung. "Es hat sich nach der Eröffnung schlagartig geändert", sagte Studienautor Bernhard Hoser bei der Präsentation am Mittwoch.

Am stärksten stieg die Befürwortung rund um anfangs umstrittene Flüchtlingsheime wie etwa das Haus Favorita mit einer Kapazität von 400 Personen – um 30 Prozentpunkte von 38 auf 68 Prozent – oder das Quartier in der Ziedlergasse mit Platz für 500 Personen. Für das Heim in Liesing waren erst 45 Prozent, später 72 Prozent. Explizit gegen die Eröffnung waren 28 Prozent, für eine Schließung dann mit 14 Prozent nur noch die Hälfte.

Auch sonst sprachen sich die Wiener positiv zur persönlichen Nähe zu Flüchtlingen aus: 48 Prozent akzeptieren Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft, acht Prozent sogar in ihrem eigenen Haushalt. Und "drei Viertel der Wiener würden sie zumindest in der eigenen Stadt leben lassen", sagte Hoser. Nur zwölf Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihnen die Einreise verweigern würden.

Beim Thema Integration gibt es mit 93 Prozent eine starke Zustimmung dafür, dass Flüchtlinge verpflichtend Deutsch lernen sollen. Dass Minderjährige sofort nach ihrer Ankunft in Österreich eine Schule besuchen sollten, befürworten 89 Prozent. Der Aussage, es sei ungerecht, dass Flüchtlinge finanzielle Unterstützung erhalten, ohne in das Sozialsystem eingezahlt zu haben, widerspricht eine knappe Mehrheit von 55 Prozent.

Sozialstadträtin Sandra Frauenberger sieht sich durch die Umfrageergebnisse in ihrer Politik bestätigt. "Das ist der Wiener Weg: Integration ab dem ersten Tag", sagte die SPÖ-Politikerin. So würden bis Juli etwa die Deutschkurse um weitere 10.000 Plätze aufgestockt.

Vier Quartiere schließen

Doch ohne "das goldene Herz der Wiener" hätte die Stadt "das alleine so nicht geschafft", sagte Frauenberger über das Management der Migration. "Hilfsbereitschaft ist in unserer Gesellschaft sehr ausgeprägt", sagte Sora-Chef Günter Orgis: "Auch für Flüchtlinge." So gaben etwa 60 Prozent an, Geld, Kleidung oder Geschirr gespendet zu haben. Hinzu komme eine "aktive Minderheit" von 13 Prozent, die sich in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich engagiere.

Von 65 temporären Notquartieren mit 10.000 Plätzen, die 2015 eröffnet wurden, bestehen aktuell nur noch fünf mit etwa 500 Übernachtungen pro Tag: darunter das Haus Favorita und die Ziedlergasse. Diese beiden sowie die Heime in der Siemens- und der Nordwestbahnstraße sollen bis Ende Juni geschlossen werden. Im September soll die letzte Notunterkunft in der Pfeiffergasse im 15. Bezirk zumachen. Ziel der Stadt ist es, die Bewohner der Notquartiere in Privatwohnungen unterzubringen. 30 Prozent der 20.000 Flüchtlinge in der Grundversorgung leben aber noch in Wohnheimen der Stadt. (Oona Kroisleitner, 7.6.2017)