Der Start von Digitalradio in Österreich könnte weiter auf sich warten lassen.

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Wien – Kommenden Montag endet die Ausschreibungsfrist für Digitalradio DAB+ österreichweit und in weiteren Regionen – in Wien gibt es seit drei Jahren einen Testbetrieb. Ausgeschrieben ist die technische Plattform für DAB+, also praktisch das Sendernetz. Doch potenzielle Betreiber stehen nun nach STANDARD-Infos – wieder einmal in letzter Minute – vor einer neuen, ernsten Hürde. Die Sender drohen mit Anzeigen wegen Verdachts auf "Geldwucher" und bei der Wettbewerbsbehörde.

Nach den Infos zögern potenzielle DAB+-Senderbetreiber bisher, bei Plattformbetreibern Verpflichtungserklärungen über zehn Jahre Programm zu unterschreiben, begründet mit den Lizenzkosten für die AKM. Die berechneten sich nämlich nach den Einwohnern im Sendegebiet und nicht nach den tatsächlich erreichten Hörerinnen und Hörern, argumentieren sie. Für eine neue Technologie mit wenig Empfangsgeräten im Markt eine schwierige Bedingung.

Für einen bundesweiten Sender könnten nach den bisherigen Regelungen rund 440.000 Euro pro Jahr Lizenzgebühr anfallen, für Sender in Wien rund 165.000 Euro, diese Berechnungen kursieren jedenfalls unter Sendern.

Nach STANDARD-Infos soll es vor Montag Krisentreffen zum Thema mit der Medienbehörde KommAustria geben. Die KommAustria hat die technischen Plattformen für den Betrieb von DAB+ ausgeschrieben.

AKM vermisst zeitgerechte Verhandlungen

Bei der AKM wundert man sich über Zeitpunkt und Art der Kontaktaufnahme: Am Mittwoch – fünf Tage vor Ablauf der Bewerbungsfrist für DAB+-Plattformen – habe die Urheberrechtsgesellschaft ein Schreiben des Vereins Digitalradio Österreich bekommen, das reduzierte Sätze für DAB+ fordere. Üblich seien in solchen Fragen zeitgerechte Verhandlungen, hieß es auf STANDARD-Anfrage bei der AKM.

Die Verrechnung basiere auf einem gültigen Gesamtvertrag für Privatradio, mit dem entsprechenden Fachverband der Wirtschaftskammer abgeschlossen 1998 und seither valorisiert. Die Sender zahlen für die Musiknutzung grundsätzlich einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einnahmen, ein Mindestsatz orientiere sich an der technischen Reichweite laut Zulassungsbescheid (mit einem zehnprozentigen Abschlag).

Bereit zu "Interimslösungen"

Der für Privatsender zuständige Fachverband der Wirtschaftskammer habe ein Satzungsverfahren über den Gesamtvertrag beim Urheberrechtssenat, dem für gesamtvertraglich vereinbarte Nutzungsentgelte zuständigen Gremium, angestrengt – naturgemäß mit dem Ziel niedrigerer Sätze. Die AKM rechnet mit einer Entscheidung des vom Justizminister besetzten Senats Ende 2017, Anfang 2018. So lange das Verfahren anhängig ist, könne die AKM keine präjudiziellen, anderslautenden Vereinbarungen etwa über DAB+ treffen. Die AKM zeigt sich aber zu nicht präjudiziellen "Interimslösungen" für DAB+ über einige Monate bereit, hieß es Donnerstag auf STANDARD-Anfrage.

Digitalverein spricht von "Wucherkonditionen"

Der Verein Digitalradio Österreich wirft der Verwertungsgesellschaft AKM "Wucherkonditionen" vor. Die AKM verlange von den elf Hörfunkveranstaltern, die am bundesweiten Digitalradioprojekt teilnehmen, zu Beginn des Sendestarts Mindestentgelte von insgesamt rund zwei Millionen Euro jährlich und nach Erreichen der Ausbauphase 4 rund fünf Millionen Euro, hieß es in einer Aussendung des Vereins.

Demgegenüber hätten sich die elf Hörfunkveranstalter kürzlich mit der die Künstler und Tonträgerhersteller vertretenden Verwertungsgesellschaft LSG (produzierenden Verlage) auf einen neuen Tarif geeinigt. Für die elf Sender liegt dieser bei jährlich 66.000 Euro.

Die AKM fordere daher Tarife, die das 30- bis 75-Fache des Tarifs der LSG betragen. Begründet werde "diese absurd hohe Forderung" damit, dass, solange der Urheberrechtssenat nicht über neue Satzungen und Tarife entschieden hat, jene Tarife begehrt werden, die für analoge Privatradios gelten.

"Dieser Ansatz ist absurd, weil jeder Haushalt in Österreich über mindestens ein Radio verfügt, während Digitalradios noch nicht stark verbreitet sind. Durch die Forderung der AKM droht nun eine Verzögerung des Starts von Digitalradio um mindestens ein Jahr", beklagt Matthias Gerwinat, Geschäftsführer des Vereins Digitalradio Österreich. Rechtsanwalt Michael Krüger arbeite bereits an einer Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der AKM wegen des Verdachts auf Geldwucher und an einer Anzeige bei der Bundeswettbewerbsbehörde, hieß es vom Verein. (red, 8.6.2017, Update 9.6.2017)