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Fast 80 Milliarden Euro beinhaltet die aktuelle Ausgabe des EU-Forschungsrahmenprogramms. Verhandlungen über die nächste Ausgabe sind längst am Laufen.

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Forschungspolitik in der EU ist untrennbar mit dem Forschungsrahmenprogramm verknüpft. In seiner aktuellen achten Ausgabe (besser bekannt als "Horizon 2020") beinhaltet es knapp 80 Milliarden Euro für Forschungsvorhaben unterschiedlichster Art. Das ist eine erstaunliche Entwicklung: die erste Ausgabe (beginnend mit 1984) war noch schlicht eine Zusammenfassung von mehreren zielgerichteten Forschungsprogrammen auf Ebene der EU (damals noch Europäische Gemeinschaft).

Wachsende Ambitionen

Doch mit jeder neuen Ausgabe hat das Rahmenprogramm auch Förderkomponenten dazubekommen, die auf Ausbau allgemeiner (technischer und wissenschaftlicher) Leistungsfähigkeit abzielen. So wurde jede Ausgabe des Rahmenprogramms nicht nur voluminöser, sondern auch mit immer neuen Zielen versehen, und die Ambitionen wurden immer größer.

Vor allem seit Innovationspolitik zu einem wesentlichen Bestandteil der europäischen Integrationsbemühungen wurde, ist auch Forschungsförderung zu einem Liebkind der europäischen Politik geworden. Aktuell ist "Horizon 2020" nichts weniger als das "finanzielle Instrument", welches die so genannte "Innovation Union" umsetzen soll – und die ist wiederum jene Priorität im Rahmen der Europa 2020 Strategie, die Arbeitsplätze schaffen, eine Ökologisierung herbeiführen, die allgemeine Lebensqualität erhöhen, vor allem aber die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft erhalten soll.

In der Welt der Buzzwords

Wenn man das Rahmenprogramm nach offiziellen Aspekten beschreiben will, kommt man also schnell in die Welt der politischen Buzzwords. In der Realität ist es aber vor allem ein Tummelplatz unzähliger Interessen und Vorstellungen darüber, was wissenschaftliche Forschung eigentlich sein soll.

Die zahllosen Programmschienen und Calls, die Vielzahl an Zielen und Ambitionen, die unterschiedlichen Interessen und der komplexe Anbahnungsprozess machen es selbst für Insider schwer, einen Überblick zu bewahren. Dazu kommt noch ein nahezu babylonischer Rechtfertigungsapparat: jedes Programm, aber auch jede Ausgabe des Rahmenprogramms, wird regelmäßig überprüft und evaluiert, was zu einer beeindruckenden (und immer noch unvollständigen) Liste an Berichten geführt hat.

Transnationalität

Bei aller Unübersichtlichkeit scheint das eigentliche Herzstück des Rahmenprogramms dennoch die transnationale Forschungskooperation zu bleiben. Dass sie ein politischer Erfolg der Integrationsbemühungen ist, kann wenig überraschen: Wissenschaft kennt ja bekanntlich keine Grenzen, und so liegt es nahe, dass Forschungsverbünde über die europäischen Staaten hinweg dem allgemeinen Unterfangen gutgetan haben.

Viele europäische Staaten haben sogar ihre eigenen Forschungsförderungsprogramme zurückgefahren; bzw. dort, wo sie noch stattfinden, sind sie mehr denn je mit dem Rahmenprogramm verquickt. Nebenbei: am Rahmenprogramm nehmen nicht nur EU Mitgliedsstaaten teil, sondern auch mehr als ein Dutzend anderer Länder.

Bürokratische Monster

Wollte man das Rahmenprogramm knapp skizzieren, dann gälte es wohl seine Flexibilität hervorzuheben. Damit meine ich nicht die konkreten Ausschreibungen für Forschungsprojekte. Die sind eher das Gegenteil, nämlich bürokratische Monster.

Wissenschafter klagen seit langem und bis heute über die Zwänge, die ihnen auferlegt werden: seien es nun die Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Partnern aus anderen europäischen Ländern im Projektkonsortium zu haben, oder die Auflagen in Bezug auf Zeitaufzeichnung, Zwischenabgaben und Finanzierungsregeln. Unbeschadet solcher berechtigter Kritik hat das Rahmenprogramm als politisches Instrument seine Eigenschaft bewiesen, unterschiedlichste Anforderungen, Interessen und Erwartungen zu moderieren.

Zwei Ebenen

Ein Grund dafür ist der rechtliche Aufbau des Rahmenprogramms, der auf zwei Ebenen stattfindet. Die obere, politische Ebene beinhaltet den Beschluss von Europäischem Rat und Parlament über die Laufzeit und generelle Ambitionen einer bestimmten Ausgabe. Dazu kommen (in separaten Texten) die so genannten Spezifischen Programme, welche zusammen das Rahmenprogramm ergeben (deshalb der Name).

Die für konkrete Forschung eigentlich zentralen Texte finden sich in der Ebene darunter: die so genannten Arbeitsprogramme ("Work Programmes") definieren jährlich (teilweise auch zweijährlich) die konkrete Ausformung eines Spezifischen Programms (oder eines Segments davon). Hier wird festgelegt, welche Ausschreibungen (Calls) im Folgejahr stattfinden sollen, in welcher Höhe sie stattfinden, und all die anderen inhaltlichen Vorgaben, welche für eine erfolgreiche Bewerbung maßgeblich sind. Daneben gibt es noch eine Reihe von Begleittexten, wie Guidelines (für Antragssteller wie für Gutachter), etc.

Es wird weitergehen

Die aktuelle Ausgabe des Rahmenprogramms läuft noch – wie unschwer zu erraten ist – bis 2020. Doch aufgrund der komplexen politischen Routinen der Europäischen Union sind bereits jetzt die Verhandlungen über die nächste, neunte Ausgabe im vollen Schwung. Und der Fahrplan sieht vor, dass im zweiten Halbjahr 2018 ein erster Entwurf über die nächste Ausgabe des EU Forschungsrahmenprogramms beschlossen wird – also zur Zeit der österreichischen Präsidentschaft.

Freilich: nach Plan ist es auch schon bei den letzten beiden Ausgaben des Rahmenprogramms (Beginn: 2007 und 2013) nicht gegangen, und dieses Mal ist der Handlungsrahmen durch die Brexit-Verhandlungen noch unklarer. Trotzdem wird es auch eine neunte Ausgabe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geben: zu sehr ist das europäische Integrationsprojekt inzwischen vom politischen Versprechen auf Innovation durch Forschung abhängig geworden. (Thomas König, 9.6.2017)