Ich hole mir Sternchen von anderen Müttern, denen ich selbstgemachte Marmelade und Orangenlikör schenke. Respekt wird mir dafür gezollt, dass ich dreimal die Woche ins Fitnessstudio laufe, Tauffeiern selber organisiere, Gugelhupf backe, eine Jugendgruppe ehrenamtlich betreue und beim Sportfest Schnitzerl brate.

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In der Volksschule gehörte ich gewöhnlich zu denjenigen, die ein "Sehr brav!" mit einem lustigen Pickerl unter der Hausübung vorfanden. Sämtliche Aufgaben wurden – in der Schule, im Studium, im Beruf – immer effizient, korrekt, zur Zufriedenheit aller erledigt. Immer mit Sternchen also, immer mit einer extra Schmuckzeile, die niemand verlangt hat, die ich aber immer brav geliefert habe. Vor keinem einzigen Gespräch mit einem Vorgesetzten musste ich jemals bangen, und neben dem Job schaffte ich es, mich in Vereinen zu engagieren, meinen höchstpersönlichen Interessen nachzugehen und mich gesellschaftspolitisch zu betätigen.

Kein Schokoriegel an der Wand

Heute weiß ich: Das ist ein Leichtes, wenn die täglichen Herausforderungen nicht darin bestehen, zu verhindern, dass der eben aufgewaschene Boden mit Marmelade vollgeschmiert, ein Kinder-Pingui an die Wand geklebt wird oder maximal der eigene Partner aus dem Bett gescheucht werden muss, um den Bus zur Schneebergbahn nicht zu verpassen.

Da ist keiner, der Duplosteine in allen erdenklichen Winkeln des Wohnzimmers versteckt und mit einer Biskotte bewaffnet das Bröselinferno über die Ledercouch kommen lässt. Auch Inkontinenz ist bei Erwachsenen eher selten, und man verbringt wenig Zeit damit, fäkalisierte Bettwäsche zu wechseln und bei der Windelentwöhnung dem Kind hinterherzujagen, weil dieses so gerne in die Küchenecke pieselt.

Do it yourself: Marmelade, Orangenlikör und Pinnwände

Trotzdem will ich dieses Sternchen noch immer haben. Ich putze abends, wenn die Kinder schlafen, schrubbe, wasche, staubsauge, bügle; ich koche, bastle, renoviere, verstecke und übertünche. Ich ausflügle, trage Kinder auf Berge, zeihe sie in Fahrradsitzen durch die Natur und bespaße sie durch Tiergärten. Ich verbringe meine Wochenenden neben einer Schaukel, schaue Tiere an und besichtige Kindermuseen.

Ich hole mir mein Sternchen von den anderen Müttern, denen ich selbstgemachte Marmelade, Orangenlikör und Pinnwände zum Geburtstag schenke. Respekt wird mir dafür gezollt, dass ich dreimal die Woche ins Fitnessstudio laufe, Tauffeiern selber organisiere, Gugelhupf für Laternenfeste backe, eine Jugendgruppe ehrenamtlich betreue und beim Sportfest Schnitzerl brate. Froh macht es mich, wenn ich eine Woche lang die Abholzeiten der Kinder nur um wenige Minuten überzogen habe und in der Abteilungssitzung neben den kinderlosen Kolleginnen und Kollegen zwei innovative Projekte vorschlagen kann.

Kein Sternchen mehr für mich

Ich will mein Sternchen, aber abends, wenn ich heulend meine Mama anrufe, dann wird mir immer klarer, dass jetzt keine Zeit mehr für Sternchen ist. Weil es einfach zu viel ist. Mama sagt, ich soll zumindest aufhören, mein Brot selber zu backen. Und mit der Marmelade, dem Hochbeet und der selbstgenähten Kinderdecke bitte jetzt auch. Einfach nur die Aufgabe erledigen und die Schmuckzeile weglassen. Kein Sternchen mehr für mich. (Sanna Weisz, 11.5.2017)