Die teils mühsame Kompromisssuche der rot-schwarzen Noch-Koalitionäre bei der Bildungsreform kann man als Zeichen für den ewigen Bildungsstillstand im Land sehen. Oder man kann, wie Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser, nüchtern feststellen, dass es um diese Reform eigentlich eh nicht schade wäre.

Bei genauerer Betrachtung dieser Kompromissversion eines Kompromisses muss man Moser beipflichten: Die Absicht, die dieses Gesetz verfolgt, ist eine ehren- und unterstützenswerte. Wird es aber so umgesetzt wie geplant, bringt das wohl außer neuen Zores relativ wenig. Das Kernproblem ist: Vor lauter Interessenabwägung hat man offenbar "vergessen", beim Erfinden neuer Strukturen die alten abzuschaffen. Der Bildungsverwaltungs apparat wird weiter aufgebläht, die Reform kommt in den Klassenzimmern wahrscheinlich gar nicht an. Genau dort gehörte sie hin, um den Schulalltag zu verbessern. Denn jetzt sieht dieser Alltag in etwa so aus:

Noch immer ist eine Lehrerin pro Klasse die Regel an Wiens Volksschulen. Da bleibt die individuelle Förderung jedes Kindes nicht mehr als ein Traum. Die engagierteste Lehrerin kann sich, allein im Klassenzimmer, nicht 25 Schülerinnen und Schülern gleich intensiv widmen.

Unterschiedliche Begabungen

Da geht es noch gar nicht um sprachliche Herausforderungen: Kinder, selbst wenn sie aus demselben sozialen Biotop kommen, haben unterschiedliche Begabungen. Haben Kinder auch noch Sprachdefizite, kann es nur einen Reformansatz geben: Jede Volksschulklasse sollte von einem Lehrerteam unterrichtet werden. Dafür könnte man die Landes- und Stadtschulräte radikal reduzieren. Hier existiert ein von Nepotismus und Parteibuchwirtschaft nach wie vor stark dominiertes System, das viele Veränderungen schon deswegen bremst, weil man es selbst lieber bequem haben möchte.

Ein weiteres Problem ist die Nachmittagsbetreuung an den Schulen. Sie muss bei einer Schulreform auch inhaltlich mitgedacht werden. Derzeit ist das Niveau der Freizeitbetreuerinnen und -betreuer höchst unterschiedlich – und ob die Kinder ihre Aufgaben schon in der Schule erledigen oder die berufstätigen Eltern am Abend einspringen müssen, obliegt der in dividuellen Gestaltung der Betreuer. Das ist eigentlich skandalös.

Einengende Lehrpläne

Lehrer und Lehrerinnen leiden wiederum unter einengenden Lehr plänen, mangelhaften Lehrmittelressourcen, der Tatsache, dass die Schul-"Stunde" noch immer das Maß aller Dinge ist, und so weiter. Sie leiden auch, weil ihre Lehrerzimmer zumeist eine Zumutung sind. Kopiergeräte funktionieren oft genauso wenig wie das Internet, man hat kaum Platz, das Lehrmaterial zu verstauen.

Für all diese Herausforderungen braucht es sinnvolle Lösungen. Dabei muss man nichts neu erfinden und keine neuen Studien in Auftrag geben. Man muss nur Konzepte aus den Schubladen nehmen und den Willen aufbringen, Mittel umzuverteilen und neues Geld zu investieren. Woher das kommen soll? Zum Beispiel aus dem Sicherheitsbudget: Mehr Polizei heißt nämlich nicht automatisch mehr Sicherheit. Bessere Bildungschancen für alle österreichischen Kinder sicherzustellen wäre dagegen ein weit nachhaltigeres Konzept.

Neue Vorschläge für eine echte, große Schulreform, abseits bisheriger politischer Machbarkeiten, wären willkommen. Die Parteien könnten die verbleibenden Monate bis zur Wahl nicht sinnvoller nutzen. (Petra Stuiber, 11.6.2017)