Architektin Gudrun Sturn und Geograf Johannes Herburger hatten die Idee zu "Usgnutzt".

Foto: usgnutzt

Kinder machten sich Gedanken über leere Häuser.

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Die Idylle am Torkelweg in Röthis trügt. Zwei der drei Häuser stehen leer.

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Röthis – Gudrun Sturn ist Architektin, baut aber nicht, sondern interessiert sich "für den Raum zwischen den Häusern, die Pflege des öffentlichen Raums". Vergangenes Wochenende lud sie gemeinsam mit Geograf Johannes Herburger, der als Regionalentwickler die zwölf Gemeinden umfassende Region Vorderland betreut, zur besonderen Raumbetrachtung nach Röthis (Bezirk Feldkirch).

In einer seit 23 Jahren leer stehenden Tischlerei am Torkelweg, in der Nachbarschaft von vier weiteren ungenutzten Gebäuden, wurde über Leerstand und Möglichkeiten von dessen Aktivierung nachgedacht. Mit dem dreitägigen Festival Usgnutzt (Vorarlbergerisch für alle Möglichkeiten ausschöpfen) schaffte man Begegnungen zwischen Fachleuten, Interessierten und Neugierigen. Und zeigte gleichzeitig auf, wie ein Gebäude sinnvoll zwischengenutzt werden kann.

Sperriges Thema im Partyrahmen

Alle zwei Jahre öffnen die Röthner ihre (Wein)Keller für die Ausstellung von Hobbykunst. "Warum nicht die beliebte 'Kunst im Kear' mit wichtigen Anliegen wie Dorfentwicklung und Raumplanung verbinden?", dachte sich Gudrun Sturn. Ein sperriges und noch dazu emotionales Thema wie Leerstand über Expertenkreise hinauszutragen, ist schwierig, weiß die frühere Wiener Stadtteilmanagerin. So wurden die Diskussionen mit Musik lokaler Bands, regionaler Kost und Kunst verbunden.

Bewusstseinsbildung ist wichtig, um in Zeiten explodierender Wohn- und Baukosten leistbares Wohnen zu ermöglichen, war man sich in den Diskussionen einig. Denn die Aktivierung von Leerstand könnte Bewegung in den Immobilienmarkt bringen.

Lukas Böckle von "Nest", der Wiener Agentur für Leerstandsmanagement, zeigte mit Beispielen aus Wien Möglichkeiten der Zwischen- und Nachnutzung von Gebäudebrachen auf. Peter Görgl skizzierte die Maßnahmen der niederösterreichischen Landesregierung, Baulandhortung und Leerstand in den Griff zu bekommen. Niederösterreich versucht es, so Görgl, "mit Zuckerbrot und Peitsche" – Beratung der Besitzenden durch Fachleute, aber auch Sanktionen für Gemeinden, wenn Baulandhortung tatenlos zugesehen wird. Julia Kick, Architektin in Dornbirn, präsentierte das Lustenauer Modell "Ein guter Rat", mit dem die Gemeinden Haus- und Grundstückseigentümer für die Nutzung ihres Eigentums begeistern möchte.

Leerstand – Mythos oder Tabu

In Vorarlberg werden die Themen Leerstand und Hortung gern ausgeklammert, von Politik und Besitzenden. "Es ist ein Phänomen, über das man nicht redet, ein Thema, das niemanden interessiert", stellt Josef Mathis fest. Über 30 Jahre war er Bürgermeister von Zwischenwasser, einer Nachbargemeinde. "Ich hätte den Leerstand in meinem Dorf auf zehn Gebäude geschätzt, eine Erhebung hat aber 24 ergeben."

Mathis kämpft heute mit der Initiative "Vau hoch drei" für eine Raumplanung, die sich am Gemeinwohl orientiert, für die kluge Nutzung von Boden und Gebäuden. "Leerstand ist etwas Mystisches, keiner kennt genaue Zahlen", kritisiert Michael Diettrich, Geschäftsführer von Dowas, das Fehlen landesweiter Daten.

Vermieten hat keine Tradition

Johannes Herburger hat die Zahlen für die Region Vorderland erhoben. Auf vier bis fünf Prozent kam er beim klassischen Einfamilienhaus nach Registervergleichen und halbjähriger Beobachtung. Nicht analysiert wurde die Mindernutzung, und (noch) nicht erfragt wurden die Motive der Besitzer, ihre Gebäude leer stehen zu lassen. Sozialmanager Diettrich vermutet traditionelles Denken, "Vermieten gehört hier nicht zur Tradition und ist deshalb angstbesetzt wie alles, was fremd ist".

Die Diskussionen von "Usgnutzt" werden zur Debatte in den Gemeinden dokumentiert. Ein mögliches Ergebnis könnte eine regionale Servicestelle zur Beratung über Miet- und Baurecht und architektonische Möglichkeiten sein. Sturn hofft, dass die Kommunalpolitik "die Potenziale leer stehender Gebäude als einen Baustein in der Wohnbaupolitik für mehr leistbaren Wohnraum erkennt". (Jutta Berger, 12.6.2017)