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Neuestes Lockmittel im Job: Kyronik – und eben die Hoffnung, aufgetaut verjüngt erneut zu leben.

Foto: Getty Images

Große Unternehmen bieten künftigen möglichen Mitarbeitern in Mangelberufen mittlerweile breite Teppiche als Einstiegshilfe an, lassen sich beim Recruiting alle möglichen Abenteuerlichkeiten einfallen und setzen immer elaboriertere Traineeprogramme auf. Benefits im Verlaufe sind dann sowieso state-of-the-art. Dazu gehören neben einer betrieblichen Altersvorsorge und Kinderbetreuung unter anderem Betriebsausflüge, Umzugsprogramme oder auch Hypnosekurse. IT-Konzerne wie Google oder Facebook zahlen Frauen bis zu 20.000 Dollar für das Einfrieren von Zellen, damit junge Frauen später Kinder kriegen und Karriere machen können. Das sogenannte "Egg Freezing" oder "Social Freezing", das 2014 für Schlagzeilen sorgte, ist heftig umstritten.

Makabre Scherze oder Ernst?

Doch was sich der Hedgefonds Numerai als Benefit hat einfallen lassen, ist an Futurismus und Verwegenheit wohl kaum zu überbieten. Für die Entwicklung seiner Börsen-App hat das Unternehmen eine Vollzeitstelle für einen Datenwissenschafter ausgeschrieben, das neben einem stattlichen Jahressalär von 130.000 bis 160.000 Dollar (Verhandlungssache) die Möglichkeit der Kryonik als Benefit anbietet.

Der Stelleninhaber kann seinen Körper nach seinem Tod einfrieren lassen, um sich in ferner Zukunft auftauen und wiederbeleben zu lassen. "Numerai kümmert sich um seine Mitarbeiter über ihren Tod hinaus", heißt es in der Stellenanzeige. Man könnte das für einen makabren Scherz halten, doch das Unternehmen meint es ernst. Numerai kooperiert mit der Kryonik-Gesellschaft Alcor, das die Konservierung von Toten anbietet (allerdings müssen Kryoniker zu Lebzeiten Mitglied werden). Kostenpunkt: Rund 120.000 Dollar. Das entspricht dem Jahresgehalt eines Programmierers, was materiell deutlich über dem Niveau sonstiger Benefits liegt, doch die Bewerber dürften mehr von einem postmaterialistischen Interesse geleitet sein.

Mitarbeiter auftauen

In Kalifornien, wo das in San Francisco ansässige Unternehmen beheimatet ist, gewinnt die Bewegung des Transhumanismus, die die Grenzen der Biologie sprengen und den Tod langfristig "abschaffen" will, immer mehr Anhänger. Zu den prominenten Mitgliedern von Alcor gehören der Facebook-Investor Peter Thiel und Google-Futurist Ray Kurzweil, der die Vision hat, den Menschen mit Nanobots zu verdrahten und zu einem gottgleichen Wesen aufzurüsten. Numerai-Gründer Richard Craib, der ebenfalls eine Mitgliedschaftskarte bei Alcor besitzt und die Stellenanzeige twitterte, sagte gegenüber dem Technikblog "Motherboard": "Wenn du eine Chance haben willst, viel länger zu leben, wird dir die Kryonik eine fünf- oder zehnprozentige Chance geben." Das sei ein guter Geldwert. "Als ich feststellte, dass man es auch über eine Lebensversicherung machen kann, zahlt man nur ein paar hundert Dollar für die Chance unendlichen Lebens."

Craib denkt radikal utilitaristisch. Wenn man 100 000 Dollar in sein Humankapital investiert, könnte sich dieses Investment im Falle eines erfolgreichen Auftauens doppelt und dreifach auszahlen. Die Methode hätte für Numerai den Vorteil, dass es talentierte Mitarbeiter langfristig nicht ersetzen, sondern einfach auftauen könnte. Der Hedgefonds-Guru glaubt, dass sein Unternehmen Pionier der Entwicklung sein könnte und weitere Start-ups motivieren könnte, ähnliche Anreize zu setzen.

Die Kyronik macht's möglich

Allerdings müssen die Kryoniker noch eine ganz Weile auf die Rückkehr ins Leben hoffen. Das Verfahren gilt als medizinisch fragwürdig (siehe Kasten). Bis der Auftauprozess funktioniert, könnte der Hedgefonds ja auch längst pleite sein.

Und was genau passiert beim "Einfrieren"? Bei der Kryokonservierung, einem speziellen Kryonikverfahren, wird unmittelbar nach dem klinischen Tod des Patienten der Kopf vom Körper abgetrennt und der Leichnam auf null Grad Celsius heruntergekühlt. Der leblose Körper wird mit Eis beschichtet. Kurz bevor die Körpertemperatur Null Grad Celsius erreicht hat, wird das Blut zum Schutz der Zellen gegen eine Kühlflüssigkeit, bestehend aus einer Salzlösung und einem Frostschutzmittel, ausgetauscht. Um Frostbrüche zu vermeiden, wird der Körper heruntergekühlt und in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius konserviert.

Die gefrorenen Zellen werden schließlich an den Kryonik-Anbieter überführt. In den Stickstofftanks von Alcor lagern knapp 200 Personen, darunter eine chinesische Science-Fiction-Autorin sowie die Baseball-Legende Ted Williams. Als erster Mensch ließ sich 1964 der Amerikaner James Bedford wenige Stunden nach seinem Tod einfrieren. Ob mittels Kryonik ein kompletter menschlicher Organismus wiederbelebt werden kann, ist unter Medizinern höchst umstritten. Dafür müsste man die einzelnen Zellen verjüngen.

Unsterblichkeit bleibt nur ein Traum

Ein Problem besteht darin, dass sich beim Einfrieren Kristalle im Körper bilden können, sodass das Gewebe wie eine im Tiefkühlfach vergessene Wasserflasche birst. Unsterblichkeit wird wohl weiter ein Traum der Menschheit bleiben. (Adrian Lobe, 17.6.2017)