Wien – Vor der Nationalratswahl, die möglicherweise einen Richtungswechsel in der Investitionspolitik der Bundesbahn nach sich zieht, macht die ÖBB sicherheitshalber eine Einkaufsfahrt. Nach Rahmenverträgen in Milliardenhöhe für bis zu 300 Nahverkehrszüge von Bombardier im Oktober und bis zu 200 Vectron-Elektrogüterlokomotiven von Siemens im Jänner sowie der Bestellung von 64 weiteren "Cityjet" -Schnellbahnzügen von Siemens im Dezember steht nun die Beschaffung von Reisezugwagen an.

Es geht um Ersatz für die ihrer Ausmusterung entgegenfahrenden Eurocity-Waggons, die von der ÖBB-Personenverkehr AG im Italien-Verkehr über den Brenner eingesetzt werden. Da Italien die Brandschutzbestimmungen für Rollmaterial massiv verschärft und die diesbezügliche Übergangsfrist am 1. April 2021 endgültig abläuft, sei eine Neuanschaffung von Rollmaterial für den Personenfernverkehr unumgänglich, so die Begründung der Bahn. Ansonsten müsste sich die ÖBB aus dem Italien-Geschäft über den Brenner vollständig verabschieden. Denn es gäbe dann im ÖBB-Fuhrpark nur noch neun neue Italien-taugliche Railjet-Schnellzüge, die ab Dezember 2017 auf der Südbahnstrecke (über Tarvis) nach Venedig zum Einsatz kommen werden. Diese neun Schnellzüge reichten aber bei weitem nicht, um ein vernünftiges Tagesverkehrsangebot nach Venedig und von München (über Brenner) nach Verona, Bologna und Mailand zu produzieren. Zumal die ÖBB ja das von der Deutschen Bahn übernommene Nachtzuggeschäft ausbauen will.

Acht Tageszügen und 13 Nachtzüge

In Bahnausrüsterkreisen wird die Größenordnung der nun anstehenden Beschaffung auf rund 400 Millionen Euro taxiert. Bei der ÖBB bestätigt man dieses Volumen nicht. Es handle sich um einen dreistelligen Millionenbetrag, so ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder knapp. Auch das Volumen der Rahmenvereinbarung insgesamt wollte man nicht kommentieren. Nur so viel: Gekauft werden soll eine erste Tranche von acht Tageszügen bestehend aus je neun Reisezugwagen und 13 Nachtzügen (mit jeweils sieben Schlaf- respektive Liegewagen).

Die Zuschlagserteilung erwarten potenzielle Anbieter, zu denen Siemens, Bombardier und Alstom zählen, spätestens im August. Vorbehaltlich der Gremialbeschlüsse, wie es in der Bahn heißt. Eine Vorentscheidung könnte bereits in der ÖBB-Holding-Aufsichtsratssitzung Anfang Juli fallen, sagen mit der Materie vertraute Bahnkenner.

Weniger erfolgreich war die ÖBB bei der Suche nach Dieselloks für Hilfszüge. Die gewünschten rund zwei Dutzend gebrauchten Lokomotiven waren am Markt schlicht nicht verfügbar. Vor zwei Jahren war das noch anders gewesen, da gab es ein überschießendes Angebot, die mit Margenverfall kämpfende ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria wollte aber keine Dieselgüterloks kaufen. Nun muss man sie, um Bau- und Aushubmaterial aufgrund der massiven Bautätigkeit transportieren zu können, anmieten, wie es heißt.

Los ist die ÖBB 26 Reisezugwagen. Sie werden laut dem Vergabeportal um 9,9 Millionen Euro von der Raaberbahn gekauft. (Luise Ungerböck, 14.06.2017)