Der damals 18-jährige Student James Watson (links) stieß 1946 in der "New York Times Book Review" auf ein Buch von Erwin Schrödinger. Jahrelang suchte er nach Antworten auf die Fragen, die darin aufgeworfen wurden – 1953 entdeckte er schließlich mit Francis Crick (rechts) die DNA-Doppelhelix.

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Erwin Schrödinger kann damit gewissermaßen als Urgroßvater des Genome-Editing angesehen werden.

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Der damals 18-jährige Student James Watson (links) stieß 1946 in der "New York Times Book Review" auf ein Buch von Erwin Schrödinger (rechts), das ihn nachhaltig beeindruckte. Jahrelang suchte er nach den Antworten auf die Fragen, die darin aufgeworfen wurden – 1953 entdeckte er schließlich mit Francis Crick (Mitte) die Doppelhelix.

Völlig klar: Alle Chemiker nerven, die sagen, dass alles Leben Chemie ist, genauso wie Psychologen, die sich darauf berufen, dass es zur Beantwortung gleich welcher Frage der Psychologie bedarf. Dennoch kommt eine Physikerin, wenn es um die "Genschere" geht, nicht umhin, Folgendes klarzustellen: Genome-Editing ist eine Erfindung der Quantenphysik!

Doch weder hat das damit zu tun, dass man sich bei der gezielten Veränderung von Erbgut nicht selten zwischen Leben und Tod befindet – eine Parallele, die Genome-Editing mit Schrödingers Katze aufweist -, noch damit, dass beide Forschungsfelder uralte Träume der Menschheit teilen – im Falle von Genome-Editing geht es um die Perfektion des Menschen, die Quantenphysik dagegen verspricht Erkenntnisse darüber, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Kleines Buch mit großer Wirkung

Warum die Ursprünge von Genome-Editing letztlich in der Quantenphysik liegen, hat einen banaleren Grund: Es war der Quantenphysiker Erwin Schrödinger, der der Molekularbiologie mit einem schmalen Büchlein zu einem zentralen Erfolg verhalf und damit auch den Weg für die Genschere ebnete.

Schrödinger, geboren 1887 in Wien, war zu einer Zeit in der Wissenschaft tätig, als es sich Physiker noch erlauben durften, über die engen Grenzen ihres Fachgebiets hinauszublicken. Der Held unserer Geschichte kam dem etwa nach, indem er unter dem Titel "Meine Weltansicht" eine bestens informierte Analyse indischer heiliger Schriften publizierte oder – und nun nähern wir uns Genome-Editing mit Riesenschritten – unter der Frage "Was ist Leben?" einen Exkurs über die Grundlagen des Lebens unternahm.

Physikalischer Hausverstand

Freilich darf man von dem 160-Seiten-Bändchen aus dem Jahr 1944 nicht erwarten, dass es letztlich und umfassend aufklärte, was Leben ist. Doch der physikalische Hausverstand, den Schrödinger bei der Annäherung an dieses Thema an den Tage legte, ließ ihn quasi nebenbei zur Spekulation hinreißen, dass es so etwas wie einen genetischen Code geben könnte, der als physikalische Struktur fassbar sein sollte. Schrödinger schwebte dabei eine bestimmte Art von Kristallen vor, die es noch zu entdecken gelte.

Im Mai 1946 wurde das Buch in der "New York Times Book Review" diskutiert, wodurch auch ein 18-jähriger Student darauf aufmerksam wurde. Die Lektüre sollte ihn derart beeindrucken, dass er jahrelang nach einer Antwort auf die Frage suchte, die Schrödinger in seinem Buch aufwarf. Sieben Jahre später entdeckte James Watson gemeinsam mit Francis Crick schließlich die Struktur der DNA – die berühmte Doppelhelix.

Wenn also Emmanuelle Charpentier, Jennifer Doudna und andere heute mit der Genschere hantieren, sind sie damit schlicht dem Weg gefolgt, den Schrödingers spekulativer Ausritt in die Biologie vorbereitet hat. (Tanja Traxler, 28.6.2017)