Wahlzuckerln sind picksüß und ruinieren mitunter den politischen Zahnschmelz. Glaubt man der Wissenschaft, haben die Parteien im Falle ihrer Wahl oft keinen Biss, Versprechen umzusetzen.

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Am 15. Oktober wird gewählt, und es liegt bereits Wahlkampfstimmung in der Luft. Umso wichtiger ist es, jetzt auf die richtige Strategie zu setzen. Für die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sollte es nach dem Ende der Koalition nicht mehr um die Klärung der Schuldfrage gehen, sondern darum, die Periode verantwortungsvoll abzuschließen. Den Oppositionsparteien hat das Scheitern der Koalition eine Argumentationshilfe geliefert, mit der sie ihre Politik als die bessere Alternative präsentieren können.

Lange Periode

Aktuell scheint es wenig erfolgsversprechend, auf einen reinen Personenwahlkampf oder inhaltsleere Schlagworte zu setzen. Mag die Neuwahl nun mehr oder weniger überraschend für die Akteure sein, so kam ihre Ankündigung zweifelsfrei zu einem sehr frühen Termin, womit die Zeit bis zur Wahl noch sehr lang werden kann. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass die Ernennung des ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz zum Spitzenkandidaten der SPD und das Credo für mehr Gerechtigkeit seiner Partei zwar kurzfristig ein Umfragehoch bescherten, die Euphorie aber bald wieder verblasste.

Aus dieser Perspektive ist es nachvollziehbar, dass alle Parteien bemüht sein müssen, sich als "Reformmotor" zu profilieren. Die inhaltliche Profilierung funktioniert im Wahlkampf klassischerweise über Wahlversprechen. Das ist jedoch nicht nur aufgrund der bereits angesprochenen Dauer zum Wahltermin schwierig. Die Wählerschaft steht den Parteien in den letzten Jahren mit großem Misstrauen gegenüber, wie Daten der Eurobarometer-Umfragen der EU-Kommission zeigen. Dazu kommt, dass die SPÖ-ÖVP-Ankündigungen, einen Neustart zu versuchen – nicht nur in dieser Legislaturperiode -, doch zu Neuwahlen geführt haben. Ebenso müssen Reformvorhaben von Oppositionsparteien den Praxistest bestehen. Dass dies nicht immer einfach ist, zeigt eine Analyse der Umsetzung von Wahlversprechen der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ nach der Wahl 1999. Den Freiheitlichen ist es in der verkürzten Periode lediglich gelungen, rund ein Viertel ihrer Vorhaben umzusetzen (im Vergleich zu knapp der Hälfte bei der Volkspartei).

Deshalb scheint die Präsentation von Ideen für die Zukunft in dieser Situation nicht nur als zu verfrüht, sondern auch als unzureichend. Für die Regierungsparteien bedeutet das, die eigenen Vorhaben jetzt abzuschließen. Dies gilt insbesondere auch für die großen Wunschprojekte der Parteien, wie das Schulautonomie-Paket (SPÖ) und die Neuregelung der Finanzierung der Universitäten (ÖVP). Lediglich die zweitbeste Lösung ist es, im Falle eines Misserfolgs zu versuchen, dem Koalitionspartner öffentlich die Schuld für die Blockade zu geben. Denn dabei besteht die Gefahr, dass der Eindruck des Stillstands an der gesamten Regierung haften bleibt.

Für die Oppositionsparteien braucht es für das Siegel "Reformmotor" ebenfalls eigene Anträge sowie Verhandlungsgeschick bei Zweidrittelmaterien. Aber selbst wenn ihre Bemühungen scheitern, scheitert nicht notwendigerweise die politische Strategie: Sie können dadurch nicht nur für andere Parteien unliebsame Themen in die Öffentlichkeit bringen, sondern auch Alternativen präsentieren, die sie nach erfolgreicher Wahl umsetzen würden. Das beste Beispiel dafür liefern aktuell die Neos, indem sie eine Sondersitzung zur Bildungsreform verlangen.

In die Pflicht nehmen

Mit dem Verweis auf die "gescheiterte Bildungsreform der Kern-Kurz-Regierung" nehmen sie nicht nur den SPÖ-Bundeskanzler, sondern auch den designierten ÖVP-Obmann Kurz, der bislang versuchte, innenpolitischen Streitereien gezielt aus dem Weg zu gehen, in die Pflicht. (Katrin Praprotnik, 16.6.2017)